Massentourismus der Zukunft: Bloß nicht dahin, wo's schön ist
Je pittoresker, desto voller – das gilt auch für die Urlaubsorte der Zukunft. Unsere Kolumnistin träumt von lizenzierten Urlaubsverderbern.
U rlaub ist auch nicht mehr das, was er mal war: Traumstrände quellen über vor Billigtouristen, im Wasser schwimmt der Müll. Einstige Geheimtipps wie glasklare Bergseen gehen an ihrer Instagrammability zugrunde. Die Mallorquiner demonstrieren gegen den Massentourismus, für den Venedig neuerdings Tagesgebühren verlangt.
Ich vermute, dass die Situation in hundert Jahren noch viel drastischer ist und mein zeitreisender Freund Felix mich deshalb so häufig aus dem Jahr 2124 besuchen kommt.
„Habt ihr eigentlich den Massentourismus in den Griff bekommen?“, frage ich, als wir es uns mit Bier und Butterbreze auf meiner schattigen Terrasse gemütlich gemacht haben. „Du meinst, dass immer ausgerechnet da zu viele Touris sind, wo du gerade in Ruhe Urlaub machen willst?“, fragt er und grinst maliziös. „Ja, und dass der Tourismus genau die Naturschätze und kulturellen Stätten zerstört, die ihn eigentlich erst ausgelöst haben.“
„Stimmt. Ich für meinen Teil war seit Jahren nicht im Urlaub! Aber generell ist die Zahl der Urlauber in den letzten hundert Jahren immer weiter gestiegen, weshalb auch immer mehr Orte touristisch erschlossen werden. Das entlastet die Hotspots aber kaum. Für Weltkulturerbestätten wie das Tadsch Mahal oder das Schweriner Schloss gibt es mittlerweile Losverfahren von der Unesco, damit die Besucherquoten eingehalten werden und nicht nur die Superreichen sich einen Besuch leisten können. Und es hat sich eine andere Methode etabliert, um dem Massentourismus Einhalt zu gebieten und gleichzeitig eine Menge Arbeitsplätze zu schaffen. Jeder Touristenort, der etwas auf sich hält, beschäftigt Urlaubsverderber.“
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Je berühmter ein Urlaubsort, desto mehr Urlaubsverderber
„Die muss man doch nicht anstellen. Die kommen von allein. Erst letzte Woche im ICE saß neben mir so ein furchtbarer Typ …“„Und jetzt stell dir vor, solche Leute: misanthropische Sturköpfe, Exzentriker, Narzissten und Besserwisser treffen im Urlaub nicht mehr zufällig auf unbescholtene Familien, sondern sie werden gezielt in Regionen geschickt, die wegen des Übertourismus kurz vor dem Kollaps stehen. Dort können sie ihre Fähigkeiten voll entfalten: Frühmorgens mit Handtüchern die besten Poolliegen reservieren, beim Salatbuffet alle Fleischbällchen einzeln herauspicken, am Strand über Sangriaeimer stolpern und im überfüllten Bus hartgekochte Eier essen.
Sie parken ihre dicken Autos an der Strandpromenade und tragen beim Theaterbesuch Hüte mit breiter Krempe. An jedem Restauranttisch muss ein Stuhl freigehalten werden, falls sich ein lizenzierter Urlaubsverderber dazusetzen will, um seine Lebensgeschichte zu erzählen, und in jedem Club gibt es mindestens einen, der mit seinen Tanzschritten die Besucher brüskiert und nachts in die Blumenkübel uriniert.
Je berühmter ein Urlaubsort, desto mehr Urlaubsverderber müssen laut Unesco beschäftigt werden und desto größer das Risiko für Touristen, ihnen zu begegnen. Wem die Reise durch einen Urlaubsverderber einmal so richtig verhagelt wurde, der kommt so schnell nicht wieder und sucht sich nächstes Mal ein Reiseziel aus, das noch nicht so stark frequentiert ist. Ist mittlerweile erwiesen.“
„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du diesen Job ziemlich gut kennst.“
„Ja, was glaubst du, warum ich seit Jahren nicht im Urlaub war? Als Urlaubsverderber werde ich fürs Reisen bezahlt, und Kost und Logis sind frei!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich