Massenproteste in Bangladesch: Textilarbeiter auf den Barrikaden
In Dhaka demonstrieren 15.000 Menschen für höhere Löhne. Bei Zusammenstößen mit Polizeikräften werden 25 Personen verletzt. Auch westliche Firmen von Produktionsausfällen betroffen
DELHI taz | Bangladeschs unterbezahlte Textilarbeiter glauben ihrer Regierung nicht, die bis Ende Juli eine Verdoppelung ihrer Mindestlöhne versprochen hat. Am Mittwoch gingen nach Polizeiangaben erneut 15.000 von ihnen auf die Straßen der Hauptstadt Dhaka, um sofortige Lohnerhöhungen zu fordern. Dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen Demonstranten Steine warfen und die Polizei Wasserwerfer einsetzte. Die Polizei meldete 25 Verletzte, darunter auch Sicherheitsbeamte. "Der ganze Stadtteil glich einem Schlachtfeld", berichtete die Tageszeitung Daily Star in ihrer Online-Ausgabe.
Auch blieben am Mittwoch 14 Fabriken in einer der größten Textilproduktionszonen des Landes geschlossen. Vergangene Woche hatten 250 Fabriken im Bezirk Ashulia nahe Dhaka ihre Produktion eingestellt, nachdem tausende Arbeiter demonstrierten, Reifen verbrannten und Fahrzeuge umwarfen. Nach Angaben der Produzenten wurden 200 Fabriken beschädigt, für die es zu Produktionsausfällen komme. Betroffen wären auch Firmen wie H&M, Zara und Carrefour, die in den Fabriken in Ashulia ihre Ware herstellen ließen, teilten die Produzenten mit.
Die Arbeiterlöhne in Bangladeschs 4.000 Textilfabriken zählen zu den niedrigsten weltweit. Bisher liegt der Mindestlohn für die 2,5 Millionen Beschäftigten der Branche bei 1662,50 Taka im Monat, umgerechnet 19 Euro. "Wenn der Mindestlohn nicht auf 5.000 Taka im Monat (umgerechnet 58 Euro) steigt, werden wir weiter demonstrieren", kündigte ein Gewerkschaftsführer an. Doch vermutlich würden die Gewerkschaften der von der Regierung versprochenen Doppelung des Mindestlohns auf umgerechnet 38 Euro zustimmen - vorausgesetzt, sie kommt wirklich. Bisher hatten sich die Arbeitsbedingungen vor Ort meist nur in Einzelfällen verbessert, wenn westliche Abnehmer ihre lokalen Lieferanten zu Zugeständnissen an die Arbeiter zwangen.
Nach Einschätzung der internationalen Textilarbeiterorganisation ITGLWF aber haben bisher nur 100 von 10.000 westlichen Abnehmerfirmen in Bangladesch auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen gedrungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes