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Massaker in NigerEin Land vor der Explosion

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

In Niger herrscht derzeit ein staatliches Machtvakuum. Die Menschen im Land sind dem islamistischen Terror ausgeliefert.

Noch nicht im Amt: Mohamed Bazoum (m.), seit 2021 Staatspräsident von Niger Foto: Tagaza Djibo/reuters

S chon seine Dimension macht den jüngsten Terrorangriff in Niger außergewöhnlich: 137 tote Zivilisten bei koordinierten Angriffen auf mehrere entlegene Dörfer. Die Täter schossen „auf alles, was sich bewegte“, wird berichtet. Es waren wahllose und zugleich gezielte Massaker. Der Staat gerät dadurch noch weiter in die Defensive gegenüber dem islamistischen Terror, als er es ohnehin längst ist.

Das Land ist gefangen in zwei Abwehrkämpfen, einmal im Westen zwischen den verschiedenen islamistischen Gruppen aus Mali, die ihre Aktivitäten über die Grenze nach Niger ausdehnen, und dann gegen die Terrorgruppe Boko Haram aus Nigeria, die schon seit Jahren den Südosten Nigers zur Kampfzone macht. Dass Niger eine Drehscheibe für regionale Anti-Terror-Operationen westlicher Spezialkräfte in der Sahelzone ist und zugleich der wichtigste Partner Europas bei der Abschottung der Wüstengrenzen für Migranten, ändert daran nichts – im Gegenteil: Es lässt die Regierenden noch stärker wie Marionetten fremder Interessen aussehen.

Aktuell durchlebt Niger eine besonders kritische Zeit, ein Machtvakuum zwischen dem bisherigen Präsidenten Mahamadou Issoufou, der bei den Wahlen im Februar nicht mehr antrat, und seinem gewählten Nachfolger Mohamed Bazoum, der noch nicht im Amt ist. An sich wäre das normal, aber nach über 200 Terroropfern in nur zehn Tagen bräuchte Niger eine klare Führung, die es momentan nicht hat. Dazu kommt, dass die Opposition in Nigers Hauptstadt Niamey Bazoums Wahlsieg nicht anerkennt und damit zur Sicherheitskrise eine politische Krise kommt.

In Niger muss sich politisch etwas bewegen, um den Terror zu bändigen. In den Nachbarländern Mali und Burkina Faso ist das bereits geschehen. Mali erlebte vergangenes Jahr einen Militärputsch, was die Terrorgruppen und die ethnischen Milizen in die Defensive getrieben hat. Burkina Faso führt seit den Wahlen vom vergangenen Jahr Geheimgespräche mit den Dschihadisten und erntet dafür relative Ruhe. In Niger gibt es – noch – nichts. Nur Stillstand und viele Tote.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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