: Massaker an den guten Manieren
■ Mäßig bis meisterlich: Auf dem Campus-Open-air treten ganz unterschiedliche Künstler auf
Der Campus wird gerockt! Wie jedes Jahr versucht der AStA der Uni Hamburg ein veritables Open-air-Festival auf die Beine zu stellen, und wie jedes Jahr findet sich auf der Bühne vor dem Audimax eine seltsame Mischung örtlicher Künstler ein, um eine Art Best of Hansestadt Music zu präsentieren.
Immerhin waren die Organisatoren clever genug, das Programm zweizuteilen. Der Donnerstag ist eher dem Traditionellen gewidmet. So bieten die Flaming Stars (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen englischen Formation) eine Elvis-Revue, und nur mäßig lustige Unterhaltung lassen die Comedy-Rocker mit dem komplett unlustigen Namen Dernameistsolangdenkannsichehkeinschweinmerken erwarten. Zum Abschluß des ersten Tages ist alles wie immer: Wieder einmal tritt die Bigband des NDR auf, das kennen die ollen Langzeitstudenten ja seit Jahren so.
Am Freitag soll dann ein wenig Lärm die Profs in den angrenzenden Gebäuden erschrecken. Aus dem Umfeld von Tocotronic stammen Colm und Superpunk, die hartes Zeugs spielen mit guten Refrains und viel ungehobeltem Soul. Und abends, kurz vor dem Dunkelwerden, absolviert King Rocko Schamoni einen seiner charmanten Auftritte. Zwei Dinge will dieser Mann, der sich manchmal sophisticateder gibt, als er eigentlich ist: Liebe einfordern, Herzen brechen. Elegant bis aufsehenerregend gewandet zu sein, also mit allem drum und dran aus Rockos Boutique, ist da Mittel zum Zweck. Zum Abschluß tritt das Madonna Hip Hop Massaker auf. Eine Art Massaker der guten Manieren und des guten Geschmacks. Was natürlich im gewissen Sinne einen guten Ersatz darstellt für die notorischen Campus-Rocker und leider erkrankten Cucumber Men, die ja auch gerne in allen möglichen und unmöglichen Situationen ihre Genitalien auspacken.
Wenn alle Stricke reißen, bleibt eine weitere Alternative, zumindest Freitag. Im Audimax werden die Spiele der WM übertragen. Im Viertelfinale stehen sich Frankreich und Italien gegenüber, und am Abend spielt Titelverteidiger Brasilien gegen Außenseiter Dänemark. Ohne den Campus zu verlassen trotzdem ein Pläsir finden: Die Universität Hamburg, sonst nicht gerade ein Hort des Hedonismus, macht es möglich.
Eberhard Spohd
Das Uni-Open-air findet morgen ab 16 Uhr und Freitag ab 15 Uhr auf der Bühne vor dem Audimax, Von-Melle-Park, statt. Der Eintritt ist natürlich frei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen