Marvel-Comicverfilmung „The Avengers“: Wer fürchtet sich vor Thors Hammer?
Noch so eine Suche nach dem heiligen Gral: Die Comicverfilmung „The Avengers“ hätte der Beginn einer „Herr der Ringe“-Saga für den Marvel-Kosmos werden können. Hätte.
Natürlich ist es albern, mit einem Superheldenkostüm in der Moderne herumzufliegen. Dennoch konnte man mit Superheldenfilmen zuletzt viel Spaß im Kino haben, und zwar am meisten Spaß mit Filmen, die um diese Lächerlichkeit wussten. Die jeweiligen Strategien, wie die Macher mit ihr umgingen, waren schließlich Teil des Spiels.
Bei „Spiderman“ setzten sie auf Selbstironisierung, Charme und die Heldenbedürftigkeit des Alltags: Im Grunde musste man schon Superkräfte haben, nur um sich hier und heute halbwegs als Individuum durchzuschlagen. „Batman“ setzte auf einen gesteigerten Fetischcharakter (die Maske!, die Flügel!) und auf eine Motivation durch frühkindliche Traumata. Bei „Iron Man“ ging es um die offensiv ausgestellte Unverfrorenheit der Wunscherfüllung, bei den „X-Men“ um einen durch Holocaustmotive aufgeladenen Diskurs um Selektion und Außenseiterdasein.
Nennen kann man auch den großartigen Animationsfilm „The Incredibles“; er zeichnete die Kleinfamilie als Bande von Superhelden. In all diesen Filmen taucht das Superheldische also als Code auf, als Schema, um Geschichten über sehr alltägliche Gefühle der Überforderung, des Ausgegrenztseins, aber auch der Macht, man selbst zu sein, erzählen zu können.
Bei „The Avengers“, der nun in die Verwertungsketten von den Multiplexen bis hin zu den Plastikfiguren eingespeist wird, liegt der Fall anders. Offenbar gab es im Vorfeld die Spekulation, dass inzwischen der Boden bereitet ist, um die Parallelwelt des Marvel-Universums selbst, also ohne oder nur mit wenig Anbindung ans Alltägliche, in den Mittelpunkt zu stellen. Flankierend soll Fans und Neugierigen dazu schmackhaft gemacht werden, dass die bisherigen Superheldenfilme nur Vorarbeiten waren. Die Verfilmung der klassischen „Avengers“-Comicreihe stelle, so heißt es in einschlägigen Interviews, so etwas wie den „heiligen Gral“ der Beschäftigung mit dem Superhelden-Thema dar. Aber wie es mit Gralssuchen im postsäkularen Zeitalter halt ist: Man würde sich eigentlich nur wundern, wenn sie tatsächlich klappen würden.
Diesmal klappt sie mal wieder nicht. Man sieht als Zuschauer durchaus die Absicht, die Marvel-Welt rund um Iron Man, Captain America, Hulk, Thor und wie sie alle heißen mit großen Schauwerten in ihr Recht zu setzen. Und manchmal scheint tatsächlich auf, was aus diesem Film hätte werden können: der Beginn einer „Herr der Ringe“-Saga für den Marvel-Kosmos. An aufwändigen Spezialeffekten und darüber hinaus auch an Sonderspezialeffekten wie Scarlett Johansson in schwarzer Lederkluft oder dem lustigen Grimassieren von Robert Downey Jr. lässt es diese Produktion auch nicht fehlen. Allerdings an der Inspiriertheit, sie in Szene zu setzen.
Uninspiriert
Der fliegende Flugzeugträger der geheimen S.H.I.E.L.D.-Organisation sieht hier genauso großartig aus, wie es die gleitenden Alien-Drachen tun, mit denen sich die Superhelden untereinander Identität stiftend im finalen Showdown auseinander setzen müssen. Aber schon wie Manhattan dabei mal wieder in Schutt und Asche gelegt wird, wirkt bei dem Regisseur Joss Whedon austauschbar. Und zwischendurch wundert man sich immer mal wieder, was einem als aufgeklärter Zuschauer im Ernst zugemutet wird: Manchmal scheint es fast so, als solle man sich tatsächlich vor Thors Hammer oder einem Szepter mit einem blauen Britzeln an der Spitze fürchten. Tut man aber nicht, jedenfalls nicht von sich aus. Man muss schon dazu gebracht werden. Und das wird man eben nicht.
Dass sie die einzelnen Charaktere nicht ernstnehmen, wollten sich die Filmemacher nicht nachsagen lassen. Bei ihrer Vorstellung gibt sich der Film viel Mühe. Am lustigsten ist das bei Hulk. Aber was vollends nicht funktioniert, sind die verbindenden Elemente. Der große Samuel L. Jackson, der doch als Chef von S.H.I.E.L.D. den Laden zusammenhalten soll, wirkt unmotiviert; da gibt in der realen Welt ein Motivationszampano wie Jürgen Klopp mehr Reibungspunkte her. Und der Bösewicht ist zwar hübsch bei Shakespeare geklaut, leidet aber darunter, dass man von Anfang an eher Mitleid mit ihm hat (Adoptionskind!) als Angst vor ihm.
Da waren Willem Dafoe in „Spiderman“, Jeff Bridges in „Iron Man“ und Heath Ledger in „Batman“ andere Kaliber. Und dass am Schluss alles auf eine gute, alte Invasion durch Außerirdische hinausläuft, macht den Handlungsbogen nicht origineller.
Vor allem aber auf das Grundproblem des Unternehmens, Superhelden im halben Dutzend auftreten zu lassen, findet der Film keine Antwort. Wenn sie allein sind, kann man ihre Zerrissenheit zeigen. Wenn sie zu zweit sind, kann man sie gegeneinander antreten lassen. Aber letztlich: Wovor soll man als Zuschauer schon wirklich Angst haben, wenn eh alle Superhelden auf der Seite des Guten stehen! Als Individuen sind einem die Superhelden einfach näher.
„The Avengers“. Regie: Joss Whedon. Mit: Robert Downey Jr., Cris Evans, Samuel L. Jackson, Scarlett Johansson u.a. USA 2012, 142 Min.
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