: Marssonde verseucht Pazifik
Trümmer der Marssonde landeten nahe der Osterinseln. Russen halten plutoniumbetriebene Batterien für unzerstörbar. Bündnisgrüne fordern Ende der Strahlensatelliten ■ Von Reiner Metzger
Berlin (taz) – Die glühenden Trümmer der internationalen Mars'96-Sonde sind Sonntag nacht in den Pazifik gestürzt. 1.300 Kilometer westlich von Südamerika, in der Nähe der Osterinseln, gingen die Reste der über sechs Tonnen schweren und 2,5 Meter langen Flugkapsel nieder. Mit herab stürzten auch Spezialkameras deutscher Forscher samt 250 Millionen Mark vergebens investierter Forschungsgelder.
Die unbemannte Mission war am Samstag vom russischen Weltraumzentrum Baikonur in die Umlaufbahn gestartet. Die vierte Stufe der riesigen „Proton“-Rakete zündete jedoch nicht, so daß die Sonde nicht den 77 Millionen Kilometer langen Weg zum Mars antrat, sondern nach einigen Runden in der Umlaufbahn wieder zurückstürzte (taz von gestern). An Bord befanden sich vier mit insgesamt 200 Gramm Plutonium 238 betriebene Batterien. Die Behälter drohten beim Aufprall auf der Erde zu zerplatzen und die Gegend mit einer krebserregenden Wolke zu verseuchen. Im Nordosten Australiens, einem möglichen Aufprallort, wurden daher Armee und Katastrophenschutz in Alarmbereitschaft versetzt. Die russische Raumfahrtbehörde hatte versichert, die kleinen Atombatterien seien quasi unzerstörbar. Daß die Strahlenquellen sehr wohl verdampfen können, zeigten verschiedene Abstürze von atombetriebenen Satelliten in den letzten Jahrzehnten: „Die Hälfte des Plutoniums 238 in der Biosphäre stammt aus verglühten künstlichen Trabanten“, so Heinz-Jörg Haury, Sprecher des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) in München, „die andere Hälfte aus den oberirdischen Atomversuchen.“ Diese Kästen trugen meist einige Kilogramm Plutonium mit sich. Im Oktober 1997 startet die Cassini-Mission der Nasa zum Saturn. Cassini trägt gar 33 Kilogramm Plutonium für die lange Reise zum Saturn.
In den entfernten Bereichen des Sonnensystems ist die Strahlung der Sonne zu schwach für Solarzellen. Bei sonnennahen Missionen ist dies laut Simone Probst, im Bundestag für Bündnis 90/die Grünen, sehr wohl möglich. „Die weitere Verwendung von Plutonium-Generatoren muß deshalb verhindert werden“, folgert sie. „Zur Zeit sind hocheffiziente Solarzellen in der Entwicklung, die selbst bei weiter entfernten Planeten wie dem Jupiter einsetzbar sind.“ Weltraummissionen, die noch auf Plutoniumversorgung bauen, müßten deshalb ausgesetzt werden, fordert Probst.
Plutonium 238 hat ein Neutron weniger im Atomkern als der Bombenstoff Pu 239. Im Gegensatz zum langlebigen 239 hat das 238er Plutonium eine Halbwertszeit von 87 Jahren. Es zerfällt also innerhalb dieser Zeit zur Hälfte und produziert dabei viel Wärme. Diese Wärme wird in sogenannten Peltier-Elementen in Strom umgewandelt. Solche Batterien sind kleiner und langlebiger als alle anderen Stromspeicher und werden in der Raumfahrt häufig eingesetzt.
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