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Archiv-Artikel

Marler CDU hat Kandidatenschwemme

In Marl ist vor den Kommunalwahlen das Parteienchaos ausgebrochen: Die amtierende CDU-Bürgermeisterin tritt als Parteilose an, CDU nominiert eigenen Kandidaten – und die SPD freut sich über die Spaltung des konservativen Lagers

MARL taz ■ Die CDU in Marl hat eine Kandidatin zu viel: Die amtierende Bürgermeisterin und Christdemokratin Uta Heinrich gab jetzt ihre Kandidatur bei den Kommunalwahlen im September bekannt – allerdings nicht für die CDU. „Ich will parteiübergreifend und unabhängig antreten“, sagt sie. Die Meinungsverschiedenheiten mit der örtlichen CDU seien zu groß. Trotzdem will sie ihr Parteibuch behalten. „Ich bin eine Konservative“, sagt sie.

Die CDU möchte Heinrich am liebsten loswerden. „Wer gegen die CDU kandidiert, muss Klarheit schaffen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Dargel. Heinrich wolle mit ihnen nichts zu tun haben, sie sollte nun die Partei verlassen. „Ich erwarte, dass der Kreisverband sie ausschließt, wir haben auch unsere Statuten.“ Heinrich hätte immer auf die CDU draufgehauen, dabei müsste man doch auf einer Seite stehen. „Wir haben uns auseinander gelebt, sagt Dargel. Die CDU setze jetzt alles auf ihren neuen Kandidaten Klaus-Peter Philipp, ein „Super-Typ“.

Nicht nur Uta Heinrich macht der CDU zu schaffen, auch ihr Mann, ein pensionierter Werksleiter aus dem Chemiewerk Infracor, macht ihr Konkurrenz: Er gründete die Marler Bürgerunion (BUM) mit, die jetzt schon angekündigt hat, Uta Heinrich bei den Kommunalwahlen im September zu unterstützen. Zwei Fraktionsmitglieder der CDU sind daraufhin zu BUM übergelaufen – die ehemalige Bürgerinitiative hat damit Fraktionsstatus erlangt.

Seit mehreren Jahren ist die CDU in Marl zersplittert: was Heinrich will, lehnt die Partei ab, was diese fordert, kann Heinrich nicht unterstützen. Hauptstreitpunkt ist die Westerweiterung des Chemieparks Marl. Die chemische Branche mit Degussa als Hauptwerk ist der größte Arbeitgeber von Marl und der Region, täglich pendeln knapp 20.000 Menschen in die Betriebe. Heinrich und die SPD plädierten dafür, im Westen des Geländes neue Industrieflächen anzusiedeln – die CDU stimmte, im Widerspruch zu ihrer sonstigen Wirtschaftspolitik, dagegen. Den Riss durch die eigenen Reihen versucht die Partei erst gar nicht zu verhehlen: In ihrer „Bürgerzeitung“ propagiert die CDU die Westerweiterung als „wünschenswert“, in einem eilig nachgeschobenen Flyer wird sie grundsätzlich abgelehnt.

Auch bei der Zukunft des Flugplatzes Loemühle gingen die christdemokratischen Meinungen weit auseinander: Heinrich will den umstrittenen Platz erhalten, die CDU stimmte mit den Grünen im Kreis Recklinghausen dagegen.

Die lachenden Dritten sind die Marler SozialdemokratInnen. „Wir freuen uns natürlich“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Werner Arndt. Die Chancen seiner Partei hätten sich durch zwei Kandidaten aus dem bürgerlichen Lager deutlich erhöht. Trotzdem gesteht er, dass Heinrich in Marl überaus beliebt sei. „Sie hat sich ihre Eigenständigkeit bewahrt, das mögen die Bürger.“ Die SPD will mit ihrem Kandidaten Jens Vogel vor allem auf das Thema Familie setzen. Sie fordern Krippenplätze für unter Dreijährige, günstige Wohnungen für Familien und betreutes Wohnen für alte Menschen. Das „Marler Parteienchaos“ will die SPD mit Vogel lösen: „Der ist Sonderpädagoge“, sagt Arndt.

ANNIKA JOERES