Marketing-Experte über IT-Konzern: "Apple-Produkte waren nie fantastisch"
Die Verkaufsstarts von iPad und iPhone 4 haben dem Computerhersteller Apple Rekord-Einnahmen gebracht. Ein Marketing-Experte erklärt den Erfolg.
taz: Herr Giesler, das iPhone 4 verkauft sich trotz der schlechten Nachrichten über Empfangsprobleme exzellent. Interessiert das den Apple-Kunden gar nicht?
Markus Giesler: Die Marke verkauft sich nicht über funktionale Benefits wie Speicherplatz oder Akkulaufzeit. Die technische Leistungsfähigkeit ist für den typischen Applekonsumenten nicht entscheidend. Da geht es eher um emotionale Benefits: Welchen Nutzen schaffe ich mir durch den Besitz einen iPhones für meine eigene Identität? Die Apple-Community wird mit gewissen Normen, Werten und Vorstellungen assoziiert. Und diese gehen auch nicht verloren, wenn ein Produkt mal nicht so gut funktioniert.
Warum campieren Menschen vor dem Erstverkauf des iPad vor den Geschäften?
Markus Giesler, 34, hat an der Universität Witten/Herdecke im Ruhrgebiet einen Lehrstuhl für Strategisches Marketing.
In jedem Produkt von Apple steckt ein wenig der Geschichte dieser Marke. In den 1980er Jahren kämpfte Apple-Chef Steve Jobs gegen die "Diktatur des PC" und wiederholte diese Geschichte später noch mal mit dem iPod. Apple verkauft seinen Kunden nicht nur ein iPhone, sondern das Gefühl, an dieser Rebellion teilzunehmen. Es geht um ein mythologisches Versprechen "David gegen Goliath", auch wenn Apple in bestimmten Bereichen jetzt der Goliath ist.
Sind die durchaus vorhandenen technische Macken bei den teuren Produkten kein grundsätzliches Problem?
Die Idee, dass man durch technologischen Fortschritt neue Kreativität, Freiheit und soziale Bindungen erzeugen kann, ist Teil von Apples Markencode. Das muss mit realer Qualität aber nichts zu tun haben. Die Apple-Produkte waren nie fantastisch. Beim iPod gab es immer Probleme mit der Batterie. Das hat kaum jemanden interessiert. Erst jetzt beim iPhone 4 führte eine Konstellation von Gründen dazu, dass es zu einem PR-Skandal wurde.
Welche Strategie verfolgt Apple bei negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit?
Man liefert dem Fan kommunikative Verteidigungsstrategien. Das hat man schon bei dem Skandal um die Selbstmordwelle bei den chinesischen Zulieferern im Mai gesehen. Jobs hat die Probleme nicht geleugnet, sondern früh gesagt: Wir sind uns der Verantwortung bewusst, aber wir tun bereits jetzt mehr als jedes andere Unternehmen. Durch eine solche Sprachregelungen erzeugt man eine Realität, die dem Fan die Möglichkeit gibt, sich zu rechtfertigen.
Sie reden die ganze Zeit von Fans.
Ich mache seit Jahren Studien mit Applekunden. Das sind oftmals Leute, die kaufen sich ein iPad und wissen gar nicht, wofür. Mit rationalem Kalkül hat das nichts zu tun.
Kritiker attestieren Apple den Charakter einer Sekte, mit Steve Jobs als oberstem Technikguru.
Die Beschreibung ist zumindest nicht aus der Luft gegriffen. Steve Jobs Selbstinszenierung ist klar religiös eingefärbt.
Kommt Apple nun um eine Rückrufaktion herum?
Technologisch liegt eindeutig ein Problem vor. Die Frage ist, ob man die enge Gruppe der Kernnutzer damit verprellt. Eine Rückrufaktion ist bei über drei Millionen verkauften iPhones wohl nicht machbar. Man wird versuchen, das Problem durch Software-Updates und kostenlose Schutzhüllen in den Griff zu bekommen. Dem Fan reicht das.
Besitzen Sie eigentlich Apple-Produkte?
Ich habe einen Mac und ein altes iPhone.
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