: Marke Deutsch-Pop
Norbert Bisky wurde 1970 in Leipzig geboren. Sein Vater Lothar Bisky ist der heutige PDS-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag. 1980 zieht die Familie mit den drei Söhnen nach Ostberlin, wo Norbert Bisky eine typische DDR-Kindheit verlebt: dreizehnter Stock im Plattenbau, FDJ-Mitgliedschaft, singen, spielen, marschieren.
Nach Schulabschluss und dem Fall der Mauer hört Bisky Vorlesungen in Germanistik und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, bevor er sich an der Berliner Hochschule der Künste bewirbt und wunschgemäß in die Klasse Georg Baselitz aufgenommen wird. Anfangs hat Bisky keinen Zugang zum Gegenständlichen. Auf der Sommerakademie Salzburg 1994/95 entdeckt er in der Klasse von Jim Dine, dass figuratives Arbeiten ihn doch interessiert. Als er 1995/96 als Stipendiat für ein Jahr nach Madrid geht, findet er zu seiner Form – gegen die hämischen Kommentare seiner Westkommilitonen und in produktiver Auseinandersetzung mit Baselitz.
2001 zeigt der Berliner Galerist Michael Schultz die erste Bisky-Einzelausstellung. Sie zeitigt kontroverse Reaktionen bei Kritik und Publikum. Während man sich im Ausland für die Qualität seiner Bilder interessiert und Respekt zollt, konzentriert sich die Kritik hierzulande immer wieder auf den Aspekt anrüchiger Botschaften, sprich den Ideologieverdacht gegenüber dem Maler. Ausnahme von der Regel ist der bekennende Bisky-Fan und FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle.
Natürlich sind die schmalen Knaben, die sich auf Norbert Biskys Bildern vor immerblauem Himmel tummeln, extrem blond und, wenn sie den Blickkontakt zum Betrachter suchen, extrem blauäugig. Die grafischen Nasen, die im Nacken ausrasierten Kurzhaarschöpfe, auch mit Seitenscheitel, wirken sehr deutsch. Auch wenn sie damit weniger einem realen als einem idealen Phänotypus entsprechen, wie ihn die Propaganda der Dreißiger- (NS-Zeit) bis Sechzigerjahre (DDR) kultivierte.
Doch der tapetenhafte Bildaufbau, der farbige Flächen bildrauschhaft gegeneinander stellt und keine Tiefe zulässt, die manipulierten Horizonte drehen Biskys Leinwandspektakel in eine andere Richtung. Hier werden nicht Erinnerungen verklärt, hier wird Gegenwart angerichtet, zugegebenermaßen mit Versatzstücken aus dem kulturellen Bildarsenal Mittel- und Osteuropas. Aber in der lauten Willkür der Farben, der plakativen bis absurden Anmutung der Motive greift Bisky auf die programmatische Formensprache von Werbung und Produktdesign zurück, die hier nichts verkaufen will als sich selbst.
Bisky-Einzelausstellungen in den nächsten Monaten: Museum für Junge Kunst, Frankfurt (Oder): 17. November 2002 bis 19. Januar 2003; Galerie Michael Schultz, Berlin, Mai 2003. Im Dezember 2002 erhält Norbert Bisky einen Raum in der Ausstellung „Kopf und Figur. Die neue intensive figurative Malerei“ in der Galleria d’Arte Moderna, Bologna, Italien.
NIKE BREYER
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