Mark Twain als Vorbild: Tötet das Adjektiv
■ NY-Verleger Sol Stein paukt an der Uni Bremen Kreatives Schreiben
Die Location war kreativitätserregend gelblich-fensterlos und zum Bersten gefüllt. Die Botschaft prasselte wie Geröll auf die Jünger nieder, die zuhauf am Fuße der Wortlawine saßen. „Sie müssen mit Gott in Wettbewerb treten“, predigt Sol Stein. „Der hat eine Fülle von langweiligen Charakteren erschaffen. Das können Sie sich nicht leisten.“
Mit diesen warmen Worten umschrieb der umtriebige New Yorker die Aufgabe eines Autors, der gelesen werden will. Stein ist ein Multi-Literatur-Talent. Seit fast 40 Jahren verlegt er erfolgreich Autoren wie James Baldwin oder David Frost, schrieb neun Romane, etliche Drehbücher und empfing als Dramatiker gar einen Preis.
Vorgestern brillierte er als Gastredner in der universitären Ringvorlesung Kreatives Schreiben. Genüsslich gab er einen stilistischen Tip Mark Twains weiter: „Wherever you find an adjective, kill it“, hatte der Erschaffer von so unnachahmlich unterhaltsamen Charakteren wie Tom Sawyer und Huck Finn empfohlen. „Und die Adverbien gleich mit“, setzte Stein gebieterisch noch einen drauf. Einer seiner Studenten habe auf diese Art und Weise einmal 78 Manuskript-Seiten eingespart.
Überhaupt: Der Rezipient des 20. Jahrhunderts habe nicht mehr die Muße, lange narrative Passagen zu ertragen. „Seine Gewohnheiten“, dozierte Stein, „haben Kino und Fernsehen geprägt. Der Leser will etwas sehen. Geben Sie ihm Szenen. Wecken Sie seine Emotionen.“ Wenn ein Autor einem Kunden schon durchschnittlich zwölf Abende für die Lektüre eines Buches stehle, müsse er ihm etwas zurückerstatten: Spannung. Der Autor braucht dabei nicht in die Rolle eines Psychotherapeuten schlüpfen. „Der Leser freut sich, dass das Bewegende im Buch geschieht und nicht in seinem eigenen Leben.“
Die 200 schreibwilligen und lernbegierigen Menschen lagen dem Guru des Creative Writing jedenfalls zu Füßen. Hollywoodesk auch der Abgang:„You've been a wonderful audience.“ Oh, wie wahr.
Thomas Gebel
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