Maritime Industrie in der Krise: Da hilft nur noch Energie
Mit großen Kähnen ist kaum noch Geld zu machen. Die Schiffsbranche könnte sich mit der Offshore-Gewinnung von Strom aus Wind, Öl und Gas über Wasser halten.
HAMBURG taz | Jörg Kuhbier ist sichtlich sauer auf die Bundesregierung: „Uns droht die staatliche Zerstörung einer Zukunftstechnologie“, sagt der Vorsitzende der Stiftung Offshore-Windenergie. Die „politische Verunsicherung“ müsse aufhören, damit Unternehmen in Windparks in der Nord- und Ostsee investieren könnten. Diese Forderung nach Planungssicherheit wird wohl das wichtigste Thema auf der achten Nationalen Maritimen Konferenz sein, die am Montag und Dienstag in Kiel stattfindet.
Das Treffen wird alle zwei Jahre vom Bundeswirtschaftsministerium in einem der fünf norddeutschen Küstenländer veranstaltet. Auch dieses Mal werden wieder mehr als 800 Vertreter aus Wirtschaft und Verbänden teilnehmen. Kuhbier wird einen Workshop Offshore-Windenergie leiten. Und er hat vor, diese Plattform zu nutzen: „Wir brauchen klare Regeln für die rasche Umsetzung der Energiewende durch Offshore-Windkraft.“
Von der Investitionsentscheidung bis ein Windpark gebaut wird, vergingen fünf bis sechs Jahre, rechnet der frühere SPD-Umweltsenator vor. Deshalb müssten Unternehmen „jetzt verlässlich wissen“, wie der Strom im Jahr 2019 und später vergütet wird. „Dabei kommt es gar nicht auf den Cent an, sondern auf die Planungssicherheit“, so Kuhbier.
Die Polit-Prominenz ist auch dabei
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine „maritime Grundsatzrede“ in Aussicht gestellt, die Bundesminister Philipp Rösler (FDP, Wirtschaft), Peter Altmaier (CDU, Umwelt) und Peter Ramsauer (CSU, Verkehr) werden ebenfalls das Wort ergreifen.
Was sie zusagen sollten, haben einflussreiche Verbände und Lobbyisten bereits deutlich gemacht. Die 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern (IHK Nord) fordern von der Bundesregierung mehr Anstrengungen für Häfen, Schifffahrt und Werften.
Häfen wickeln ein Viertel des Außenhandels ab
Mit rund 400.000 Arbeitsplätzen und einem Jahresumsatz von mehr als 54 Milliarden Euro sei „die maritime Wirtschaft eine Hochtechnologiebranche“, heißt es in einem Positionspapier. Unter anderem müsse der Ausbau aller Verkehrswege zu den Seehäfen als Schwerpunkt im nächsten Bundesverkehrswegeplan verankert werden. Schließlich würden rund 25 Prozent des deutschen Außenhandels über die Seehäfen abgewickelt und wichtige Rohstoffe für die Schlüsselindustrien fast ausschließlich über die Wasserwege beschafft.
Nach fünf Krisenjahren sei die deutsche Schifffahrt „ausgelaugt“, klagt Michael Behrendt, Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). „Insolvenzen sind mittlerweile an der Tagesordnung.“ Die deutsche Handelsflotte schrumpft zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Immer mehr Schiffe werden abgewrackt oder verkauft.
Von der Politik fordert der VDR deshalb klare Signale, wie es mit der Schifffahrtsförderung weitergeht und vor allem: weniger Bürokratie. Außerdem müssten Schiffe bei Kreditverhandlungen zu ihrem langfristigen Wert als Sicherheit beliehen werden dürfen, vergleichbar etwa mit Immobilien und Flugzeugen. „Dann hätten die Banken mehr Spielraum, um Fortführungskonzepte zu ermöglichen“, sagt Behrendt.
Insolvenzen und Schließungen
Auch der Schiffbau liegt darnieder. In den vergangenen fünf Jahren mussten acht Werften und eine Reihe von Zulieferbetrieben schließen. Der Containerschiffbau ging völlig verloren. Dennoch habe die Branche gute Chancen im Spezialschiffbau und bei der Offshore-Energiegewinnung aus Wind, Öl und Gas, prognostiziert eine Studie des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik – wenn es denn mit der Windkraft endlich in großem Maßstab losginge.
Für Kuhbier ist das keine Frage: „Ohne Offshore-Windkraft kann die Energiewende nicht gelingen.“
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