Marineeinsatz vor Somalia: Haifisch statt Hering
Die UN erlaubt den Kampf gegen Somalias Piraten jetzt auch an Land. Das macht es allerdings komplizierter für Deutschlands geplanten Marineeinsatz.
Der Bundeswehreinsatz gegen Somalias Piraten sei "kein Ausflug in warme Gefilde", warnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestern im Bundestag bei der ersten Lesung des Regierungsantrags zum Einsatz von bis zu 1.400 deutschen Soldaten im Rahmen der EU-Mission Atalanta. Kritiker befürchten, der Einsatz sei sogar eher die Spitze eines Eisberges: Am Dienstag hat der UN-Sicherheitsrat eine Resolution beschlossen, die den Kampf gegen Piraten vom Meer auf das Land ausweitet. Sie erlaubt zur Unterdrückung von Piraterie und seeräuberischen Akten allen UN-Mitgliedern "alle notwendigen Maßnahmen, die in Somalia angebracht sind".
Die von den USA eingebrachte Resolution 1851 beruft sich auf einen Brief des somalischen Präsidenten Abdullahi Yusuf an die UNO vom 9. Dezember, in der er um internationale Hilfe dabei bittet, die Nutzung somalischen Territoriums zur Planung und Ausführung von Piraterie zu unterbinden. Mögliche "Maßnahmen" sind laut Resolution mit der Regierung abzusprechen.
Somalia hat seit 1991 keine richtige Regierung. Präsident Abdullahi Yusuf, 2004 auf einer Friedenskonferenz in Kenia designiert, wurde Ende 2006 von Äthiopiens Armee in der somalischen Hauptstadt Mogadischu installiert, nachdem Äthiopien die dort zuvor herrschende islamistische Union Islamischer Gerichtshöfe (UIC) vertrieben hatte. Als Marionette Äthiopiens hat Yusuf so gut wie keine Unterstützung im Land - letzte Woche befand eine UN-Kommission, 80 Prozent der Regierungsstreitkräfte seien desertiert. Große Teile Südsomalias stehen unter Kontrolle radikaler Islamisten, die Regierung hat sich längst aus Mogadischu in die Stadt Baidoa zurückgezogen. Versuche, den gemäßigten Flügel der UIC einzubinden, sind gescheitert. Vielmehr distanziert sich das Ausland jetzt von Yusuf: Das Nachbarland Kenia hat gegen ihn Sanktionen verhängt wegen seiner illegalen Entlassung des Premierministers Nur Hassan Hussein.
Vor dem Hintergrund einer nicht nur schwachen, sondern auch zerstrittenen "Regierung" in Somalia ist der UN-Beschluss brisanter, als er aussieht. Zu "notwendigen Maßnahmen, die in Somalia angebracht sind" könnte die Besetzung der von Piraten genutzten somalischen Häfen zählen - aber auch Militäraktionen in Somalia auf Seiten des Präsidenten, sofern dieser seine Gegner als Unterstützer von Piraten bezeichnet, oder auch auf Seiten anderer Regierungsmitglieder gegen den Präsidenten, dessen Heimatregion Puntland die Hochburg der Piraterie ist.
Was das für Deutschland heißt, scheint noch unklar zu sein. In der Antwort auf eine Anfrage der Linken erklärte die Regierung am Dienstag: "Aus dem Mandat erwachsen keine Befugnisse außerhalb des Operationsgebiets." Und dieses beschränkt sich laut Landkarte auf das Meer. In der Antwort auf eine Anfrage der Grünen steht hingegen, Pirateriebekämpfung an Land sei im Rahmen des EU-Mandats "nicht vorgesehen". Sie ist aber auch nicht ausgeschlossen, wenn man das Mandat "Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen" großzügig interpretiert.
Im Bundestag sagte Steinmeier, die neue UN-Resolution "ändert am Auftrag und am Umfang der EU-Operation und damit am Mandat der Bundeswehr nichts". Aber wie unbehaglich der großen Koalition ist, machte SPD-Verteidigungspolitiker Walter Kolbow deutlich: "Wenn man eine Landoperation mit einbezieht, muss man darauf achten, dass man nicht eine ungeeignete Truppe für eine aussichtslose Mission einsetzt."
Der FDP-Verteidigungspolitiker Rainer Stinner warb dafür, Piratenschiffe unschädlich zu machen. Man wolle schließlich "nicht als Haifisch starten und als Hering enden", sagte er. Am Freitag wird das Atalanta-Mandat verabschiedet. Außer der Linksfraktion haben alle Parteien Zustimmung signalisiert.
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