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Marco Carini über VerteilungsschlüsselMusterbeispiel für Bürgerbeteiligung

Dass das neue Instrument eine soziale Komponente hat, die reichen Stadtteilen mehr Unterkünfte „zumutet“, wird seine Akzeptanz stärken.

Soziale Komponente: Bürger demonstrieren in Hamburg für Verteilungsgerechtigkeit Foto: Daniel Reinhardt

M it dem Verteilungsschlüssel zur Flüchtlingsunterbringung hat Hamburg nun ein Instrument, um die Akzeptanz von neuen Unterkünften vor Ort zu stärken. Fortan kann jeder Bürger genau sehen, wie viele Schutzsuchende sein Stadtteil, sein Bezirk aufnehmen sollte, um die Geflüchteten gerecht zu verteilen. Dass das neue Instrument eine soziale Komponente hat, die reichen Stadtteilen mehr Unterkünfte „zumutet“, wird seine Akzeptanz stärken, auch wenn sie nicht alle Bewohner der Nobel-Quartiere glücklich machen dürfte.

Eine besondere Qualität der neuen Berechnungsgrundlage für die Verteilung Schutzsuchender aber ist, dass sie von Verwaltung, Politik und Bürgerinitiativen gemeinsam entwickelt wurde und das Ergebnis von allen Beteiligten gleichermaßen gelobt wird. Die Bürgerinitiativen brachten die Idee an den runden Tisch, die Verwaltung setzte sie praktikabel um, die Politik gab ihren Segen für den Verteilungsschlüssel.

Standen sich Volksinitiative und die rot-grüne Koalition noch vor gut einem Jahr als unerbittliche Gegner gegenüber, so haben sie nun einen Weg eingeschlagen, der eine dezentrale und gerechte Verteilung der Flüchtlinge über ganz Hamburg möglich macht. Der Kompromiss ermöglicht es den Bürgern vor Ort außerdem, zu erfahren, ob sie einen angemessenen Anteil an den Lasten tragen, die die Unterbringung vieler Menschen eben auch immer mit sich bringt. Was hier entstanden ist, darf als Musterbeispiel für eine gelungene Integration von Bürgerwillen in den politischen Prozess begriffen werden.

Zwei Einschränkungen müssen jedoch sein: Ohne die rapide Abnahme der Flüchtlingszahlen gegenüber 2015 wäre eine Einigung zwischen Politik und Initiative kaum möglich gewesen und eine gerechte Verteilung ungleich schwieriger. Auch bleibt abzuwarten ob es wirklich gelingt, größere Flüchtlingsgruppen in Wellingsbüttel, Blankenese und in der Hafencity unterzubringen. Die Nagelprobe steht noch aus.

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