Manipuliationsvorwürfe bei Pauli: Nur ein Spiel wurde verschoben
FC St. Pauli wehrt sich gegen Manipulationsvorwürfe. Die Spieler Bruns, Gunesch und Rothenbach wurden von der Staatsanwaltschaft als Zeugen vernommen.
HAMBURG taz | Der FC St. Pauli ist in die Offensive gegangen und hat alle Vorwürfe gegen Spieler des aktuellen Kaders, sie hätten Zweitligapartien verschoben, vehement zurückgewiesen. Gleichzeitig drohte Gernot Stenger, Vizepräsident des Clubs, allen Medien "rechtliche Schritte" an, die Spieler direkt oder indirekt beschuldigen würden, Spiele verschoben zu haben. Die Bochumer Staatsanwaltschaft, für die Aufklärung des bundesweiten Wettskandals zuständig, ermittele definitiv gegen keinen Fußballer, der derzeit am Millerntor in Lohn und Brot stehe.
Gleichzeitig nannte der Verein erstmals die Namen dreier am Millerntor aktiver Profis, die im Rahmen der Ermittlungen in der zweiten Januarhälfte der Bochumer Staatsanwaltschaft Rede und Antwort standen - nicht als Beschuldigte, sondern als Zeugen. Es sind Mittelfeldspieler Florian Bruns und die Verteidiger Ralph Gunesch und Carsten Rothenbach. Drei Spieler, für die Trainer Holger Stanislawski "genauso die Hand ins Feuer" legen würde, wie für Torwart Matthias Hain, dessen Name ebenfalls in Zusammenhang mit dem Wettskandal aufgetaucht war.
Auslöser für die klaren Worte der Vereinsverantwortlichen war ein Beitrag des ARD-Magazins "Fakt", das unter der Überschrift "St. Pauli offenbar tief in Wettskandal verstrickt" am Montag berichtete, der in Bochum angeklagte Wettpate Marijo C. habe insgesamt sechs ehemalige und aktuelle Profis des FC St. Pauli im Zusammenhang mit der Manipulation von insgesamt sieben Zweitligapartien genannt.
Ohne den "Fakt"-Beitrag direkt zu nennen, kritisierte Trainer Holger Stanislawski "halbseidene Medien-Berichte unterster Schublade". "Es kann nicht sein, dass irgendein krimineller Wettpate wahllos die Namen irgendwelcher Spieler auswirft und daraus dann ein Verdacht konstruiert wird", echauffierte sich der Trainer und kündigte an: "Diese drei Spieler werden wir schützen, bedingungslos!" Laut Stenger hätten die drei Akteure den Bochumer Ermittlern nur mitteilen können, dass sie nichts wüssten und zu dem Wettpaten Marijo C. nie direkten oder indirekten Kontakt gehabt hätten.
Anfang Januar war der Club im Zusammenhang mit Spielmanipulationen in die Schlagzeilen geraten, nachdem der spielsüchtige ehemalige St. Pauli-Profi René Schnitzler eingeräumt hatte, 2008 mehr als 100.000 Euro von der Wettmafia kassiert zu haben. Im Gegenzug habe er dazu beitragen sollen, dass sein Club mehrere Spiele verliert. Schnitzler bestreitet zwar, tatsächlich Einfluss auf den Ausgang der Partien genommen zu haben, will aber - da er oft nicht eingesetzt wurde - den Wettpaten Geld für Teamkollegen abgeknöpft haben, die an seiner Stelle das Spielergebnis negativ beeinflussen würden.
Zudem sagte Schnitzler aus, dass ihn zwei Teamkollegen zu einem Termin in den Niederlanden begleitet hätten, um die Wettmafia hinters Licht zu führen. Diese Aussagen haben zu Spekulationen geführt, ob und wer aus dem Spielerkader über die versuchten Wettmanipulationen informiert war und ob auch Spieler beteiligt sind, die noch heute für den Klub spielen.
Dass Schnitzler gegenüber den Wettpaten nach eigenen Angaben Mittäter erfand, um mehr zu kassieren, hat nun ein Nachspiel - dem Vernehmen sind es genau die Spieler, die nun als Zeugen gehört wurden. Bei Matthias Hain hat sich Schnitzler bereits öffentlich dafür entschuldigt, dass dieser durch sein Verhalten in den Verdacht geriet, an Spiel-Manipulationen beteiligt gewesen zu sein.
St.-Pauli-Sportchef Helmut Schulte betonte, der Verein stehe in ständigem Kontakt zu den Bochumer Ermittlern. Bislang deute "nichts darauf hin, dass nur ein einziges Spiel des FC St. Pauli verschoben worden sei", erklärte Schulte, um dann augenzwinkernd hinzuzufügen: "mit einer Ausnahme: dem Derby gegen den HSV vorigen Sonntag". Doch an diesem verschobenen Spiel - dessen Nachhol-Termin heute bekannt gegeben werden soll - war nun eindeutig keine Wette, sondern das Wetter schuld.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“