Manipulation beim „Gelben Engel“: ADAC gibt Betrug zu
Erst wurden die Vorwürfe vehement zurückgewiesen. Dann gestand Deutschlands größter Autoklub, bei der Wahl zum „Gelben Engel“ getrickst zu haben.
MÜNCHEN taz | Die Pannenhelfer des ADAC rückten im vergangenen Jahr zu 4,2 Millionen Einsätzen aus und brachten 86 Prozent der defekten Autos sofort wieder zum Laufen. Das behauptet der Autoklub zumindest. Vielleicht stimmen die Zahlen, vielleicht hat der ADAC sie aber auch frei erfunden. Dass seine Statistiken nicht immer der Wahrheit entsprechen, hat der Verband eindrucksvoll bewiesen.
Am Dienstag hatte die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, dass der ADAC Ergebnisse seines Autopreises „Gelber Engel“ manipuliere. Bis zum Wochenende wiesen die Verantwortlichen diesen Vorwurf vehement zurück. Am Sonntag räumte ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter dann doch ein, betrogen zu haben. Für ihn endet die Affäre mit einem Totalschaden: Von seinem Posten im Verband ist Ramstetter mit sofortiger Wirkung zurückgetreten.
Der ADAC vergibt jedes Jahr einen eigenen Autopreis, den „Gelben Engel“. Herzstück des Wettbewerbs ist die Wahl des „Lieblingsautos der Deutschen“. Der Klub ruft alle seine Mitglieder zur Abstimmung auf, über 18 Million Menschen also. 290.000 von ihnen hätten tatsächlich ihre Stimme abgegeben, behauptete der ADAC etwa im Jahr 2012. Eine Lüge. Laut SZ-Recherchen gingen in Wirklichkeit nur rund 76.000 Stimmen ein. Warum der Verband falsche Zahlen verbreitete, ist unklar. Es liegt aber nahe, dass die tatsächliche Wahlbeteiligung Deutschlands größtem Autoklub schlicht zu mickrig klang.
Die Verantwortlichen wiesen den Vorwurf zurück. Zuletzt während der Verleihung der diesjährigen „Gelben Engel“ am Donnerstag. Eine Gala in der Münchner Residenz, ein Treffen der deutschen Automobilgrößen. Dort bezeichnete ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair die Berichte als „Unwahrheiten und Unterstellungen“. Im Übrigen sei nichts älter als die Tageszeitung von gestern: „Mit der packt man den Fisch ein.“
Ramstetters angeblicher Alleingang
Am Sonntag dann die Kehrtwende: Kommunikationschef Ramstetter habe die Manipulation eingeräumt und trete zurück, teilte der Verband mit. Ramstetter habe auf eigene Faust gehandelt, Präsidium und Geschäftsführung hätten davon erst am Freitag erfahren. Außerdem seien nur die Teilnehmerzahlen manipuliert gewesen, nicht aber die Reihenfolgen der Siegerautos. Der ADAC wolle die Vorwürfe nun „lückenlos aufklären“. Wie viele Mitglieder tatsächlich abgestimmt hatten, will der Verband vorerst aber nicht verraten.
Damit steht er nun erst recht in der Kritik. „Der ADAC hat jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden“, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Sonntag. Ein VW-Sprecher stellte die Frage, was der Preis überhaupt noch wert sei. Und ADAC-Konkurrent ACE riet dazu, an den Zulassungszahlen abzulesen, welches Auto am beliebtesten ist. „Demgegenüber ist alles andere offenbar nur aufgeblasene Selbstinszenierung“, sagte ein Sprecher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste