Manfred Kriener über das Kraftfahrt-Bundesamt und VW: Der Bettvorleger als Tiger
Ein spätes, aber gutes Signal! Das Kraftfahrt-Bundesamt zwingt VW zum Rückruf von zweieinhalb Millionen Dieselfahrzeugen. „Freiwillige“ Nachbesserungen der Dreckschleudern in eigener Regie und nach eigenem Zeitplan bleiben so ein Wunschtraum der Wolfsburger Autobauer.
Bislang galt das Kraftfahrt-Bundesamt (KFA) als Bettvorleger der Autoindustrie. Jetzt scheint die Kumpanei zumindest ein wenig unterbrochen. Das Ausmaß des Skandals ist einfach zu groß für eine fortgesetzte Verbrüderung, zumal von Umweltverbänden bereits die Auflösung des Amts und die Schaffung einer wirklich unabhängigen Überwachungsbehörde gefordert werden. Zu Recht: Bereits 2007 hatte die Deutsche Umwelthilfe den Betrug der Autokonzerne bei Abgas- und Spritverbrauchswerten detailliert beschrieben, im Februar 2011 wurde das Bundesverkehrsministerium auf den heftigen Stickoxidausstoß beim VW Passat Euro 6 hingewiesen. Vergeblich, das Bundesamt hielt Augen, Ohren und Nase stets geschlossen.
Unklar bleibt der genaue Zeitplan der Rückrufaktion. Sie soll irgendwann im Januar 2016 beginnen – und wird wann abgeschlossen sein? VW hatte eine technische Lösung für September 2016 angekündigt. Es ist ein weiterer Kniefall vor der Industrie, dass man die betroffenen Fahrzeuge nun bis zum Jahreswechsel auf der Straße lässt. Wer heute mit einem Mountainbike am helllichten Tag ohne funktionstüchtige Lichtanlage radelt, muss absteigen und binnen einer Woche das nachgerüstete Modell bei der Polizei vorführen. Wer toxische Abgase aus bewusst manipulierten Motoren in hoher Konzentration hinten rausbläst, darf erst mal monatelang ungeniert weiterfahren.
Die Rückrufaktion des KFA bringt den Kern des VW-Skandals wieder in Erinnerung: Auf den Straßen verkehren Millionen Autos, die den Grenzwert für das Umweltgift Stickoxide um das Zehnfache übersteigen und deren Zulassung eigentlich erloschen ist.
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