ausgespielt: Manche Staatstheater sind gleicher als andere
Staatstheater ist Staatstheater ist Staatstheater – ist Staatstheater. Das vierte nämlich von Hamburg, das wurde Kampnagel vor einigen Jahren. Nach dem Schauspielhaus, der Staatsoper und dem Thalia Theater nahm die Stadt im Mai 2020 auch die große Bühne für die Freien Künste unter ihre Fittiche und kaufte die Gesellschafteranteile der „Hamburgischen Kulturstiftung“.
Dass ein Staatstheater aber eben doch nicht automatisch wie das nächste behandelt wird, das stößt aktuell der Gewerkschaft Verdi in den festgefahrenen Tarifverhandlungen auf: Neun Verhandlungsrunden gab es bislang, aber einigen konnte man sich nicht; zur Eröffnung des Sommerfestivals auf Kampnagel in der vergangenen Woche sorgte ein Warnstreik für einen verspäteten Beginn.
Die Hauptbeschwerde der Gewerkschaft laut ihrer Mitteilung auf Facebook: Die Beschäftigten bei Kampnagel verdienen weniger als die Beschäftigten in den anderen Hamburger Staatstheatern. Und, schlimmer noch: „Nach Auffassung der Gesellschafterin, der Stadt Hamburg, soll sich dies auch perspektivisch nicht ändern“.
Tatsächlich ist Kampnagel kein Mitglied im TV AVHH, im Tarifvertrag der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg; die Spielstätte hat seit 2018 einen eigenen Haustarif. Den hatte Verdi damals noch als große Errungenschaft für die 120 Arbeitnehmer*innen betrachtet: Drei Jahre hatte man dafür gekämpft und endlich wurden Löhne, die Wochenarbeitszeit, eine betriebliche Altersversorgung und eine Theaterzulage für das Arbeiten zu unattraktiven Zeiten geregelt. Endlich, so der Tenor damals, würden die Arbeitsbedingungen an die Bedingungen an den städtischen Bühnen angepasst, auch die Tarifentwicklung sollte sich künftig an den großen Häusern orientieren.
Aber das war ja auch noch vor dem neuen Etikett „Staatstheater“. Jetzt, so kann man die Mitteilung der Gewerkschaft verstehen, müsste den Menschen hier eigentlich das exakt Gleiche zustehen.
Die Übernahme von Kampnagel durch die Stadt sollte schließlich nicht nur kulturpolitischen Symbolcharakter haben – seht her, auch die freie Szene bekommt jetzt die Anerkennung der Freien Hansestadt –, sondern auch für Sicherheit sorgen: Angesichts der kostenintensiven Umbauarbeiten bei Kampnagel wollte die Stadt „ihrer Verantwortung gerecht“ werden und, so Kultursenator Carsten Brosda (SPD), „heute und in Zukunft voll und ganz zu Kampnagel“ stehen. Zu so einer Sicherheit, könnte man wohl argumentieren, gehört auch Geld für die Beschäftigten.
Wer bei der Arbeitgeberseite nachfragt, hört dort allerdings, dass sich der konkrete Streit für diese Tarifrunde um ganz andere Fragen drehe – eine Aufnahme in städtische Tarifverträge ist demnach offenbar nur eine Art Fernziel und – so der Geschäftsführer der „Arbeitsrechtlichen Vereinigung“ als Arbeitgebervertreter – wäre auch nicht in jedem einzelnen Fall positiv für die Beschäftigten bei Kampnagel. Gekämpft werde stattdessen um eine rückwirkende Erhöhung der Tarifzulagen – gibt es die schon zum April oder erst zum Juni hin – und darum, wie die Arbeitszeiterfassung für die unattraktiven Randzeiten abgerechnet wird. Die Gewerkschaft Verdi ist am Dienstag leider nicht zu erreichen.
„Faire Löhne jetzt“, stand laut Hamburger Abendblatt auf den Transparenten der Protestierenden beim Warnstreik, und: „Applaus zahlt keine Miete“. Damit zeigen sie noch auf ein anderes großes Problem: Diejenigen, die am meisten Schutz bräuchten, sind für gewerkschaftliche Vertretung eh nur schwer zu erreichen. Kampnagel ist ein Haus der Freien Szene, und frei, das macht schon klar: Die meisten der Künstler*innen, die hier auftreten, Performances machen und tanzen und Debatten anstoßen, müssen daneben noch für sich selbst kämpfen und verhandeln; sie sind meist nicht einmal Mitglied im schwachen Tarifvertrag Bühne. Lotta Drügemöller
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