piwik no script img

Manager Heidel über Mainz 05"Eine gute Ecke gefunden"

Nur noch Tabellenzweiter in der Fußball-Bundesliga! Christian Heidel, Manager von Mainz 05, über eine schöne Krise und die Zukunft des Klubs im neuen Stadion.

Vom Glück verlassen? Mainzer Spieler nach einer Niederlage. Bild: dapd
Interview von Frank Hellmann

taz: Herr Heidel, der FSV Mainz ist monatelang als Überflieger der Liga gefeiert worden, nun hat Ihr Klub in fünf Pflichtspielen vier Niederlagen quittiert. Ihnen wird eine Krise angedichtet, und es heißt, Thomas Tuchel habe keinen Plan mehr. Ist das Geschäft verrückt?

Christian Heidel: Ja, vielleicht. Denn für mich ist das die schönste Krise meiner 20-jährigen Laufbahn beim FSV Mainz 05. Früher waren wir froh, wenn wir mal in der zweiten Liga auf Platz zwei standen; und jetzt sollen wir eine Krise haben, als Zweiter der Ersten Bundesliga ? Bei uns hat keiner erwartet, dass wir 34 Spiele gewinnen. Man kann mir wirklich glauben: Es gibt keine Unruhe, keine Hektik, keine Nörgelei bei uns.

Im Grunde könnten Sie froh sein, weil der mediale Hype jetzt nach Dortmund weitergezogen ist und plötzlich statt den Bruchweg-Boys die Borussen-Boys gefeiert werden.

Bild: dpa
Im Interview: 

Der gelernte Bankkaufmann Christian Heidel, geboren 1963, ist seit April 1991 Manager des FSV Mainz 05.

Von mir aus hätte die Aufregung in Mainz ruhig noch weitergehen können. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir das ganze Jahr medial verfolgt werden, weil dies eine Anerkennung für unsere Arbeit ist. Und ich will auch nicht missen, dass sich Kamerateams und Berichterstatter aus ganz Europa dafür interessieren, wie unser kleiner Verein in der großen Bundesliga mitgemischt hat und weiter mitmischt.

Wir mussten uns natürlich auch an einige Dinge erst gewöhnen: Was es beispielsweise bedeutet, wenn drei unserer Spieler im ZDF-Sportstudio wie eine Rockband präsentiert werden. Da gab es auch Kritiker, aber ich empfand es als eine positive Darstellung der Mainzer Mentalität.

Sie stehen mit acht Punkten Vorsprung auf den FC Bayern noch immer auf dem zweiten Platz und spielen nun gegen Hannover 96 und Borussia Mönchengladbach. Wären Sie zufrieden, wenn Mainz am Ende Sechster und sich für die Europa League qualifizieren würde?

Da würde ich sofort einschlagen, und in Mainz wäre Rosenmontag im Mai. Aber es entspricht nicht unserer Philosophie, eine unrealistische Erwartungshaltung durch einen konkreten Tabellenplatz auszugeben. Das erste Ziel ist es, nächste Saison im neuen Stadion Bundesliga-Fußball in Mainz anzubieten; das würden wir auch noch als 15. schaffen. Auf diesen Rang gehen wir aber nicht freiwillig zurück. Ich will damit nur erinnern, mit welcher Ausgangsposition wir in die Saison gestartet sind. Bescheidenheit tut uns auch weiter gut.

Das neue Stadion entsteht derzeit am Mainzer Europakreisel. Ist der Neubau das Symbol für den Mainzer Aufbruch?

Wir wirtschaften bisher mit einem Umsatz von rund 32 Millionen Euro, wovon der Gehaltsetat für den Kader rund 14,5 Millionen beträgt, der gesamte Lizenzspielerbereich inklusive Trainerstab kostet etwa 17 Millionen. Das neue Stadion ermöglicht uns Mehreinnahmen in einer Größenordnung von zehn Millionen - 34.000 statt 20.000 Zuschauerplätze, 35 statt zehn Logen oder 2.400 statt 1.200 Businessseats. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir als Bundesligist in dieses Stadion ziehen. Wir haben ja auch viele Leihgeschäfte mit Spielern gemacht, die wir normalerweise nicht bezahlen können.

Aber selbst mit diesem Stadion bleiben wir in der Bundesliga nur ein ganz kleiner Fisch. Unser Nachbar Eintracht Frankfurt schüttet etwa 28 Millionen an Personalkosten aus. Umso bemerkenswerter ist ja die Leistung, die Thomas Tuchel vollbringt, der es geschafft hat, die Personalkostentabelle einfach mal zu ignorieren.

Arbeitet bei Ihnen der beste Fußballlehrer der Liga? Und wie lange lässt sich so ein Trainer-Talent noch für den Standort Mainz begeistern?

Zum einen: Er ist der beste Trainer, den ich mir für Mainz 05 zurzeit vorstellen kann. Es steht mir nicht zu, die Arbeit der anderen Trainer-Kollegen damit zu vergleichen oder auch zu bewerten. Zum anderen: Ich sage, dass Thomas Tuchel hundertprozentig mit unserem Verein zusammenpasst. Er ist ein Trainer, der hier erst am Anfang einer Ära steht. Ich habe ihn als Menschen gut kennen gelernt und habe bei ihm das gute Gefühl, dass er länger bei uns bleibt.

Er fühlt ja auch, dass er hier überragend gut arbeiten kann, es hier Perspektiven wie mit dem neuen Stadion gibt. Und er genießt auch die großen Freiheiten, die ihm eine längerfristige Entwicklung ermöglichen. Er ist nicht der Trainer, der morgen mit einer anderen Mannschaft deutscher Meister werden will. Denn diesen Anspruch hat der FSV Mainz 05 nun einmal nicht.

Stattdessen inszeniert sich Ihr Klub immer noch als Karnevalsverein. Wäre es nicht mal Zeit, sich von diesem Image zu lösen?

Warum? Ich muss dazu ein bisschen in die Historie gehen, denn es war schon meine Idee, dieses Image aufzubauen. Man darf ja nicht vergessen, dass wir in den 90er Jahren immer nur erfolgreich gegen den Abstieg aus der zweiten Liga gekämpft haben und in dieser Zeit hatten wir eigentlich gar nichts: kein vernünftiges Stadion, kaum Zuschauer, kaum Presse und kein Markenzeichen.

Zu Auswärtsspielen sind wir immer mit dem Singsang "Ihr seid nur ein Karnevalsverein" begrüßt worden. Das brachte mich darauf, dass eine Rockband doch diesen Song für uns umschreiben könnte. Aus "ihr seid nur ein" wurde "wir sind nur ein". Da die Fastnacht in Mainz eine große Tradition hat und sich alle Mainzer damit identifizieren, haben wir das als Fußballverein für uns genutzt. Ich glaube, dass dies ein authentisches Markenzeichen ist.

Der FSV soll also weiter einfach eine sympathische Nische besetzen?

Ob das sympathisch ist, sollen andere beurteilen. Wir haben in der Liga eine gute Ecke gefunden, in der wir uns eingerichtet haben. Und vor allem sind wir bekannt geworden. Es ist doch das Schlimmste, wenn man irgendwo hinkommt, und man wird gefragt: Wer bist du? Und wofür stehst du denn? Das passiert uns glücklicherweise nicht mehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!