: „Man soll mich spucken sehen“
Figuren Die Bühne Cipolla macht Puppentheater (auch) für Erwachsene. Mit drei Aufführungen am Leibnizplatz feiert sie ihr fünfjähriges Bestehen
betreibt die Puppenbühne Cipolla. Der Berliner war von 1997 bis 2005 an der Bremer Shakespeare Company.
taz: Herr Kautz, Sie haben Schauspiel in Leipzig studiert, wurden Shakespeare-Company-Mime, dann plötzlich Puppenspieler, warum?
Sebastian Kautz: Ich habe schon immer viel ausprobiert, war Radiomoderator, bin Maskenspieler bei der „Familie Flöz“ und schlug Gero vor, zusammen Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“ zu machen. Als Schauspieler war ich dann nicht sicher, wie diese dämonische Überfigur Cavaliere Cipolla darzustellen ist, so näherte ich mich erst mal mit einer kleinen Form an, einer leblosen Puppe. Das hat dann so gut funktioniert, dass wir alle Rollen mit Puppen besetzt haben.
Seither wird hauptberuflich Puppentheater mit Live-Musik nur für Erwachsene gemacht.
Ja, da müssen wir weiter gegen Vorurteile kämpfen, dass wir nicht auch noch Kasperle-Stücke für die Kinder im Angebot haben. Mit unseren vier Produktionen haben wir jetzt so 70 Auftritte im Jahr, 15 davon in Bremen, den „Mario“ gaben wir insgesamt schon 130 Mal. Wir könnten davon leben. Aber auch Gero macht seine anderen Sachen weiter, ist Cellist beim Bremer Kaffeehausorchester, spielt in seiner Jazzformation…
… Melanie Kuhl ist Requisiteurin der Shakespeare Company. Warum ist die Co-Produzentin?
Die wollen ja auch spannend bleiben und nutzen uns als weitere Farbe im Spielplan. Wir nutzen die Proberäume, Werbemittel und den Spielort. Dort teilen wir uns die Einnahmen im branchenüblichen Verhältnis 70 zu 30. Inzwischen haben wir auch in Duisburg und Leverkusen Co-Produzenten und viele Gastspielorte. Dort bekommen wir eine fixe Abendgage. An einigen Häusern sind unsere Produktionen Teil des Schauspielabonnements. Aber wir wollen ja nicht nur für Bildungsbürger spielen. An Schulen treten wir auch schon mal für 600 Euro auf.
Es wird ja eher nicht auf den Hinter- und Kellerbühnen, sondern auch in 600-Plätze-Sälen gespielt.
Das ist uns sogar lieber, unsere Puppen sind ja groß genug, also fast so hoch wie ich. Wir setzen auch sonst nicht auf Klein-Klein, wollen große Schauwerte und bauen daher richtig üppige Bühnenbilder.
Wie unterscheidet sich die Bühne Cipolla von anderen Puppentheatern?
Ich spiele offen, bin auf der Bühne sichtbar, will alles offenlegen, man soll mich schwitzen und spucken sehen. Ich zeige auch die Mechanik der Puppen, wie ich sie mit den Händen führe. Auch Gero spielt offen, loopt für jeden kenntlich seine Musik zu Klanglandschaften, gräbt eigenständig sehr tief als Gefühlsverstärker der Handlung oder spielt auch mal gegen den Text. Diese extreme Verbindung von Spiel und Livemusik, das ist auch ein Alleinstellungsmerkmal.
Und dass es stets hohe, ernste Literatur sein muss?
Ja, unser Markenzeichen. Nicht lustig und trallala, sondern richtige Themen verhandeln. Daher lassen wir uns auch jeweils viel Zeit für die Produktionen, alles soll langsam reifen in Kopf und Körper. Die Leute honorieren das, die merken, wir haben wirklich inhaltliche Anliegen.
Was ist der Unterschied, ob sie eine Figur schauspielen – oder sie im Dialog von Mensch und Material entwickeln?
Ich komme in so einen Flow, wenn ich die Puppe spiele. Ich muss mich aber deutlich mehr reinsuhlen in die Rollenarbeit als im normalen Schauspiel und so viel mehr Energie hineingeben, bis die tote Materie zum Leben erweckt, beseelt ist. Aber es ist auch intensiver und befriedigender, wenn man dann sieht, wie die Zuschauer sich verführen lassen, die Puppe als Charakter annehmen. Jens Fischer
19., 20. und 21. April, 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz
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