Makkabi Winter Games in Ruhpolding: Vom Schläger zum Stock

Lisa Michajlova ist eine bei jüdischen Sportspielen hochdekorierte Tischtennisspielerin. Nun hat sie eine Medaille im Eisstockschießen gewonnen.

Lisa Michajlova hockt auf dem Eis und misst die Bahn mit ihrem Handy aus

Wie Bowling, bloß anders: Lisa Michajlova bei der Winter-Makkabiade Foto: MDWG23/Makkabi Deutschland

Eigentlich hatte Lisa Michajlova nur als Volunteer, als freiwillige Helferin also, an den ersten Makkabi-Wintergames seit fast 87 Jahren teilnehmen wollen. Die 24-Jährige aus dem Ruhrgebiet wollte vor Ort in Ruhpolding beim Social-Media-Team mitarbeiten – dann kam aber alles ein bisschen anders als geplant und nun ist sie Silbermedaillen-Gewinnerin im Eisstockschießen.

Bei einer Makkabiade auf dem Siegerpodest zu stehen und eine Medaille umgehängt zu bekommen, ist für Lisa Michaj­lova nichts Neues. Nur tut sie das normalerweise bei den Sommerspielen, und das ziemlich oft. „Ich hab im Tischtennis schon mehrfach Gold geholt“, berichtet sie, „2017 zum Beispiel zweimal, im Einzel und im Damen-Doppel.“ Bei der europäischen Makkabiade 2019 kamen weitere Titel hinzu, ebenso wie 2022.

„Meistens habe ich im Finale gegen meine Schwester Katharina gewonnen oder verloren“, sagt sie. Wo verwahrt man derart viele Auszeichnungen? „Ach“, sagt Lisa und lacht, „einige haben wir der Jüdischen Gemeinde gegeben, die sie in einer Vitrine ausstellt. Und der Rest ist bei meinen Eltern, sie haben einen riesigen Schrank für Pokale und so weiter.“

Die Michajlovs waren schließlich Tischtennis-Profis und haben die Liebe zu ihrer Sportart an ihre Kinder weitergegeben. „Ich spiele seit 16, Halt nein, schon seit 18 Jahren“, stellt Lisa fest. Zusammengerechnet hat die Familie bei Makkabiaden „insgesamt zwölfmal Gold gewonnen“ – und nun eben auch Edelmetall im Eisstockschießen.

Und das kam so: Als bekannt wurde, dass Makkabi Deutschland 90 Jahre nach den ersten Makkabi-Winterspielen im polnischen Zakopane wieder Winter Games veranstalten wollte, war für Lisa klar, dass sie dabei sein will. Sie habe zwar gewusst, dass es die Idee gab, und das auch schon seit geraumer Zeit, „aber dann kam Corona und damit auch die ganzen Einschränkungen im Sport – und nun auf einmal sitzen wir hier in den Alpen. Dass diese Tradition wiederbelebt werden konnte und wir Teil davon sein dürfen, das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt sie.

Die kurze Geschichte der Winter-Makkabiade

Die Spiele 1933 in Zakopane waren zwei Tage nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler eröffnet worden, die Gazeta Warszawska hatte die polnische Jugend dazu aufgerufen, die „Verjudung der polnischen Wintersportgebiete zu verhindern“. 1936 fanden im slowakischen Banska Bystrica noch einmal jüdische Winterspiele statt, das war’s – bis Ruhpolding.

Lisa Michajlova freute sich auf die Begegnungen mit Juden aus 20 verschiedenen Nationen, „es gab einen coolen Mix aus Leuten, die man immer wieder trifft, und solchen, die man zum ersten Mal sieht, weil sie eben nur Wintersport machen“. Dann aber fragte ihre Zimmernachbarin, die als Medical Volunteer arbeitet, ob Lisa nicht beim Eisstockschießen einspringen könne, dem deutschen Team Ha’Koach um Wladimir Olchow und Michal Nassi fehle noch jemand. „Ich hatte das zuvor noch nie gemacht, aber dann ging es eigentlich ganz gut, es ist halt wie Bowling, nur eben auf dem Eis.“ Man trainierte und „in unseren Spielen hatten wir sogar voll die Taktik“.

Und sonst? In Ruhpolding sei es toll gewesen, „und sehr bayrisch“, findet Lisa. Beim Gottesdienst und der Schabbathfeier habe man sogar Leute in Tracht gesehen, „sie waren vom Trachtenverein und´ wollten sich das Ganze mal angucken“. Außerdem gab es eine „typische Après-Ski-Party, mit „Schlagerliedern und Karaoke und, ja, auch den einschlägigen Getränken“.

Das koschere Essen im Hotel, in dem alle Teilnehmer und Mitarbeiter wohnten, sei von sieben Chefköchen aus Israel organisiert worden, „sie sind extra hergekommen und haben in der koscher gemachten Küche unfassbar gutes Essen gezaubert“. Besonders gefreut hat sich Michajlova, dass viele Ukrainer an den Spielen teilgenommen haben, „meine Eltern sind ja ursprünglich von dort, wir haben Freunde und Verwandte im Land, mein Großvater ist vor dem Krieg zu uns geflohen“.

Für Lisa Michajlova bedeutet das Ende der Wintergames den Anfang der Klausurphase. Sie studiert Mathematik und Philosopie sowie „Cognitive Science“ im Master. Ob sie sich vorstellen kann, bei etwaigen nächsten Wintergames wieder dabei zu sein? „Es wird sicher wieder Winterspiele geben“, sagt sie. „Viele Leute hatten es ja bis zu dieser Makkabiade gar nicht auf dem Schirm, dass das schon einmal möglich war.“

Hier und jetzt „haben wir den Anfang einer Tradition erlebt, ob die nächste Winter-Makkabiade nun wieder von Deutschland organisiert wird, ist unklar, gerüchteweise sind die USA schon sehr interessiert, die Spiele auszurichten“.

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