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Majestätsbeleidigung verhindert

■ Bayern München gewinnt mit 3:1 in Bordeaux den UEFA-Pokal, und einem bedeutet das „überhaupt nichts“

Berlin (taz) – Schlußendlich hatte der Mensch, den kaum jemand bei seinem vollen Namen nennt, es doch verhindert, daß der Choral „Vize, Vize-Kaiser Franz“ diesen Sommer überdauern wird. Aber immerhin wurde dieser Singsang, von dem der weinessigsauer lächelnde Mann selbst auf dem höchsteigenen Trainingsplatz verfolgt wurde, nicht in der hübschen Stadt Bordeaux aufgeführt. Was zum einen viel damit zu tun hatte, daß die meisten Franzosen des Deutschen nicht mächtig waren, zum anderen damit, daß die Bayern-Fans im Stadion solche Majestätsbeleidigung nach dem 3:1-Sieg und dem damit verbundenen UEFA-Pokal-Erfolg nicht für angebracht hielten.

„Mir persönlich bedeutet dieser Titel überhaupt nichts“, verlautbarte der Göttliche anschließend, aber immerhin „freue ich mich für die Mannschaft“. Dies ist übrigens genau jenes Team, dem Beckenbauer selbst und sein willfähriger Managerbüttel Uli Hoeneß in den letzten Wochen taktische und konditionelle Mängel bescheinigt hatten, vom fehlenden Charakter ganz zu schweigen. Was sich beim Auftritt in Bordeaux als das entlarvte, was es von Anfang an war: Otto Rehhagel verantwortlich zu machen, falls diese Saison völlig mißlingen sollte. So ist sie nur halb mißlungen, und der FC Bayern München hat in Frankreich wie schon bei allen UEFA-Cup-Auswärtsspielen zuvor bewiesen, daß diese dreist zusammengekaufte Mannschaft durchaus an die gloriosen 70er anknüpfen könnte.

Girondins Bordeaux hatte bereits in der ersten Halbzeit in Anbetracht der klassischen kaiserlichen Defensivaufstellung irgendwelche Träume aufgegeben, das 0:2 aus dem Hinspiel doch noch aufzuholen und das Wunder zu wiederholen, als man bei gleicher Ausgangslage den ruhmreichen AC Mailand mit 3:0 nach Hause schickte. Zu undurchdringlich zeigte sich die Bayern-Abwehr, Chancen gab es keine wirklichen. Bordeaux' Coach Gernot Rohr nannte das „rigoroser und besser eingestellt“ und meinte vielleicht nur den bösen Tritt von Kostadinov auf das Knie von Lizarazu, der den Kapitän der Franzosen nicht nur aus dem Spiel beförderte, sondern wohl auch verhindern wird, daß der Baske zur Europameisterschaft fährt. Und zudem hatte ausgerechnet Spielmacher Zidane einen lustlosen Tag erwischt, trabte unbeteiligt durchs Mittelfeld und semmelte Freistöße aus besten Positionen in die Mauer. Den Gegentreffer ließ Oliver Kahn eher freundlich als Gastgeschenk durch die Arme rutschen. Allerspätestens Mitte der zweiten Halbzeit war die bayerische Saison halbwegs gerettet, da ging es dann nur noch darum, daß auch Jürgen Klinsmann ein Tor erzielt. Also schoß Thomas Strunz dem Klinsmann aufs Knie, der Ball fand den Weg ins Tor, und der Schwabe hatte mit 15 Toren in einer Europapokal-Saison einen neuen Rekord aufgestellt.

Daß Beckenbauer da gewohnt mürrisch dreinblickte, war reichlich unverständlich, denn die Arroganz, mit der die Bayern Girondins auflaufen ließen, und das Glück, das ihnen bei Scholls 1:0 zur Seite stand, erinnerten verteufelt an die Zeiten, als Beckenbauer noch selbst den Stiefel schnürte.

Allerdings zeigte sich, als gestern Mittag in München gelandet wurde, daß die bayerische Landeshauptstadt inzwischen in einer Art telepathischen Verbindung zum Trainerpräsidenten zu stehen scheint. Denn selbst dort löste der erste internationale Cup-Gewinn der Bayern seit 20 Jahren nicht gerade Euphorie aus. Gerade mal schlappe 400 Fans wollten ihre Helden begrüßen. Verglichen mit den 8.000, die in Dortmund ihre Meister feierten, reichlich kläglich.

Da aber sprach der Meister selbst: „Wenn wir aber in Europa bestehen wollen, müssen wir uns gewaltig steigern.“ Und der Manager tut, wie ihm geheißen. Uli Hoeneß verkündete nach dem Sieg, mit dem die Bayern nun alle europäischen Pokale mindestens einmal im Schrank stehen haben, das, was alle bereits wußten: Mario Basler wechselt für acht Millionen Mark von Werder Bremen in den Süden. Was den Arroganzfaktor in der Bayern-Mannschaft noch einmal wesentlich erhöhen dürfte. Und außerdem könnte die reine Anwesenheit von Basler in München die Presse vielleicht so ablenken, daß im Rest des Vereins endlich die so sehnlichst gewünschte Ruhe einkehrt. Thomas Winkler

FC Bayern München: Kahn - Matthäus - Babbel, Helmer - Strunz, Sforza, Scholl, Frey (60. Zickler), Ziege - Klinsmann, Kostadinov (74. Witeczek)

Zuschauer: 36.000 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Scholl (53.), 0:2 Kostadinow (67.), 1:2 Dutuel (76.), 1:3 Klinsmann (78.)

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