Mahnmal für NS-Verbrechen in Polen: Falsch und gefährlich
Das Gedenken an die NS-Diktatur an Nationen zu orientieren, würde auf eine Opfer-Konkurrenz hinaus laufen. Es vernebelt mehr als es erinnert.
D er Mord an 6 Millionen Juden durch die Nazis ist in der deutschen Öffentlichkeit präsent. Ganz im Gegensatz dazu drohen jedoch die Verbrechen von Wehrmacht und SS in und an Polen vom ersten Tag des Zweiten Weltkriegs an in Vergessenheit zu geraten. Dabei mag die Dimension der Verbrechen unterschiedlich sein, der mörderische Charakter des NS-Regimes zeigt sich auch im Krieg gegen vermeintlich minderwertige „Slawen“.
Nun hat der Bundestag eine Initiative aufgegriffen, in Berlin ein Denkmal für die polnischen Opfer der NS-Herrschaft zu schaffen. Den Abgeordneten geht es darum, der Geschichtsvergessenheit etwas entgegenzusetzen. Die Begründung für ein solches Denkmal ist also mehr als honorig. Dennoch wäre ein nationales Mahnmal ein falscher, ja gefährlicher Schritt. Denn er öffnet Tür und Tor für eine Erinnerung, die sich am Leid von Nationen orientiert und andere Opfer ignoriert. Mit gleichem Recht könnte Weißrussland ein solches Denkmal einfordern, ebenso Griechenland, Norwegen, Serbien – die Liste der von den Nazis okkupierten Staaten ist lang. Schon hat der ukrainische Botschafter in Berlin verlangt, auch seiner Nation ein solches Denkmal zu widmen.
Das aber liefe auf eine Opfer-Konkurrenz hinaus, in der die Geschichte als nationales Ereignis erzählt wird und nicht als Teil eines ganzen, von Berlin aus zentral geplanten Verbrechens. Es eröffnet bedenkliche Narrative, in denen Krieg und Besatzung ausschließlich als Erfahrung des eigenen Leids interpretiert werden. Es vernebelt mehr, als dass es Erinnerung bewahren kann.
Anstatt Geschichte anhand von Nationen erzählen zu wollen, wäre es angemessener, einen gemeinsamen Lern- und Erinnerungsort zu installieren. Der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden in Europa, Uwe Neumärker, hat dazu ein Museum der deutschen Besatzungsherrschaft vorgeschlagen. Dieser Weg ist mühsamer, kostspieliger und aufwendiger. Aber er eröffnete die Möglichkeit, Geschichte in den Zusammenhängen sichtbar zu machen, in denen sie geschah.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken