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„Magic Town“ am Staatstheater MainzHauptsache, normal

Fluch oder Segen des Mittelmaßes: Am Staatstheater Mainz denkt man über das ganz normale Leben nach.

Katharina Uhland, Carl Gruebel und Johannes Schmidt (v. l.) in „Magic Town“ Foto: Andreas Etter

Mal ehrlich, kennen Sie Hassloch? Nein? Obwohl der Name dieser pfälzischen Gemeinde nicht gerade schöne Assozia­tio­nen weckt, gehört zur Wahrheit: Wir alle sind ein bisschen Hassloch, da dieser Ort als der durchschnittlichste in Deutschland gilt.

Was dieses menschliche Mittelmaß eigentlich bedeutet – darüber hat sich just die Autorin und Regisseurin Hannah Frauenrath in ihrer Uraufführung „Magic Town“ am Staatstheater Mainz Gedanken gemacht.

Entstanden ist eine Farce vor einer – wie sollte es anders sein? – ostentativ normalen Kulisse. Wir blicken auf zwei Einfamilienhäuser vor blauem Himmel. Hin und wieder gibt ein Keyboard eingängige Supermarktmusik zum Besten, die mithin auf die ökonomische Verwertbarkeit der Gesellschaftsstruktur verweist.

Denn in kaum einer anderen Kleinstadt haben Konsumforschungsinstitute derart viele Daten erhoben und Produkte getestet wie hier. Für Slapstick also eine wahre Steilvorlage! Mit dem Eifer von Teleshopping-Verkäufern präsentiert man uns daher wahre Renner auf der Bühne, etwa den Apfelstrudel aus der Tube oder das Bier mit Bacon-Geschmack. Aber sind solche Quatschartikel nicht eher Sache für Exoten anstatt für Max Mustermann?

Das Stück

Magic Town: Staatstheater Mainz, wieder am 1., 14., 26.12. und am 4.1.

Sämtliche Klischees der Mainstreamgemeinschaft

Zugegeben, diese Einlagen innerhalb eines losen Szenen­tableaus sorgen zwar für Unterhaltung, fügen sich aber wenig in die Soziografie dieser Aufführung, die uns über den gesamten Abend hinweg mit sämtlichen Klischees einer Mainstreamgemeinschaft konfrontiert.

Nachdem, so der einzig vernehmbare Mikro­plot, ein schwules Pärchen von Berlin in den Ort unweit von Ludwigshafen zieht, lernen die beiden Männer zwischen dem „Vitamin-Döner“ und dem „Nagelstudio Lyly“ die Vereine kennen, darunter die Kriegsgräberfürsorge, die Selbsthilfegruppe „Besser hören Hassloch“ und die Landfrauen.

Auch die völlig unspektakuläre Ehe findet dort Raum, wie Katharina Uhland und Johannes Schmidt in einer typischen Geschichte von Glück und Zerfall veranschaulichen: Sie bekommt zwei Kinder, arbeitet danach Teilzeit, er bleibt voll im Beruf. Man wohnt zur Miete in einem Vorort, ernährt sich fleischarm und leistet sich genau einen innereuropäischen Urlaub im Jahr. Als die Kinder ausziehen, denkt man über die Trennung nach, rauft sich aber nicht zuletzt durch einen Hundekauf noch einmal zusammen. Und so weiter und so weiter.

Je länger man dieser Abfolge von typischen Dingen in typischen Leben beiwohnt, desto mehr ertappt man sich selbst in seiner eigenen Durchschnittlichkeit. Der Befund der Singularisierung und Individualisierung des spätmodernen Menschen, wie ihn der Soziologe Andreas Reckwitz erstellt, wird so vergnüglich auf die Schippe genommen. Wir alle sind Herdentiere, weil wir der ultimativen Sicherheit letztlich doch den Vorrang gegenüber dem Besonderen gewähren.

Verloren im Kleinklein

Dass man dieser Botschaft bereits nach den ersten fünfzehn Minuten und nach allerlei Karikaturen unseres Alltags und gängiger Floskeln gewahr wird, verhilft der Aufführung nicht gerade zur Dynamik. Jenseits von lustigen Reimen und deutschem Liedgut läuft sie konsequent und rasch ins Leere – und verliert sich im Kleinklein: Es wird in urdeutscher Manier gegrillt und der Toast Hawaii gefeiert. Einsamen und Unglücklichen empfiehlt man derweil Badeperlen, Puzzles und Duftkerzen.

Gibt uns der Durchschnitt nun Orientierung und Halt oder sollen wir uns gezielt davon lossagen? Ratlos bleiben wir mit diesen Fragen zurück. Wohl auch, weil diese Inszenierung jedwede Metaebene ausspart, weswegen Hassloch in der Gewöhnlichkeit erstarrt. Schade! Zumindest in ihrem ersten Theaterstück hätte man dieser Gemeinde etwas mehr Zauber gewünscht.

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