Magdalena Andersson: Schwedens oberste Sozialdemokratin
Sie war Finanzministerin und ist nun Vorsitzende von Schwedens Sozialdemokraten. Und bald leitet Andersson die Regierungsgeschäfte im Land.
Andersson schreibt Geschichte: Es ist 100 Jahre her, dass erstmals Frauen bei einer schwedischen Parlamentswahl stimmberechtigt waren. Bitter ist für die SozialdemokratInnen nur, dass sie in den 110 Jahren, in denen sie zu Wahlen angetreten sind, sich noch nie auf ein schwächeres Ergebnis stützen konnten.
Die 54-jährige bisherige Finanzministerin hat bis zur nächsten Parlamentswahl im September 2022 Zeit, um das zu ändern. Sie lässt keine Zweifel daran, nicht als Löfven-Nachfolgerin ins Amt der Regierungschefin reinzurutschen, sondern sich nach einer Parlamentswahl zu behaupten. „Ich stehe gerne in der ersten Reihe und trage Verantwortung“, sagt sie: „Und ich liebe es, zu bestimmen und zu gewinnen.“
Ehrgeiz zeigte sie schon als Jugendliche im Leistungssport: Zwei Goldmedaillen im Brustschwimmen bei den schwedischen Juniormeisterschaften holte sie. Ihre andere Leidenschaft: die Politik. Olof Palme war noch Ministerpräsident, als sie sich in ihrer Heimatstadt Uppsala den schwedischen Jusos anschloss: „Mit jugendlicher Wut regte ich mich über alle Ungerechtigkeiten auf. Und diese Wut habe ich immer noch in mir.“
In Umfragen trauen ihr viele das Regierungsamt zu
Anderssons Art, dass sie Verhandlungen auch mal kurzerhand abbricht oder gallig reagiert, wenn ihre Einschätzungen nicht geteilt werden, sind mediales Dauerthema. Mit Klein My, dem furchtlos-unverblümten Charakter aus den Mumintal, wurde sie verglichen, TV-Satiresendungen lieben sie, weil „Bulldozer“, so ihr Spitzname, für immer neuen Stoff sorgt.
Der erste Berufswunsch der jungen Magdalena war, Inhaberin eines Konsumladens zu werden. Das Wirtschaftsthema prägte auch ihr weiteres Leben: Masterexamen und Promotion an der Handelshochschule Stockholm, Harvard University, ab 1996 finanzpolitische Positionen in Regierung und Steuerbehörde, seit 2014 Finanzministerin. 2020 wurde sie als erste Frau in das beratende Komitee des Internationalen Währungsfonds (IWF) gewählt. Und seit 25 Jahren ist sie mit einem Ökonomieprofessor verheiratet – das Paar hat zwei erwachsene Kinder.
40 Prozent der SchwedInnen glauben, sie werde einen besseren Job machen als Löfven, nur 7 Prozent bezweifeln das. Konservative und Liberale warnen, mit ihr könne es einen Linksruck geben, weil sie eine Millionärssteuer plant und verspricht, die wachsende Ungleichheit konsequenter zu bekämpfen. Sieben von zehn sozialdemokratischen WählerInnen hoffen, dass sie tatsächlich damit ernst macht.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott