Mafia und Clans: Eine Frage der Konjunktur

Dreißig Morde seit 1990 gehen nach Behördenangaben auf das Konto italienischer Mafiagruppen in Deutschland. Wie viel Aufmerksamkeit ist das wert?

Schwarze Kaffeetassen mit dem Bild von Marlon Brando als Filmfigur "Der Pate"

Derzeit eher als Folklore gefragt: die italienische Mafia Foto: Lena Klimkeit/dpa/picture alliance

Die Polizei, sagte der Journalist Olaf Sundermeyer vor zwei Jahren im taz-Interview, mache nur das, was die Politik wolle, „und die Politik macht, was in der öffentlichen Debatte steht“.

So gesehen ist es erfreulich, dass die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic beim Bundesinnenministerium nachgefragt hat, was eigentlich die italienische Mafia so treibt, die es etwas schwer hat mit der Aufmerksamkeit, seit die „Araber-Clans“ in den Focus der „öffentlichen Debatte“ gerückt sind.

Mitglieder italienischer Mafiaorganisationen haben aber eben nach Erkenntnissen der Polizei seit 1990 in Deutschland 30 Menschen getötet.

Nun kann man eine solche Zahl in alle möglichen skandalisierenden oder relativierenden Verhältnisse setzen, zum Beispiel in dieses: 2013 wurden im Bereich des Polizeipräsidiums Mannheim von zwölf Mordfällen elf schnell gelöst. Der zwölfte – der „rätselhafte Mord an einem Italiener und seiner Partnerin“, wie es weiland in der Presse hieß – ist bis heute unaufgeklärt.

Da war das abgehakt

Als die taz den Fall damals recherchierte, kam ein sinnvolles Gespräch über die Hintergründe der Hinrichtung mit der Mannheimer Staatsanwaltschaft nur deswegen zustande, weil die Lektüre italienischer Medien ergeben hatte, dass die deutschen Ermittler bereits nach Palermo gefahren waren, um sich mit ihren italienischen Kollegen zu beraten. Alle Beteiligten ordneten demnach den Fall klar dem seit den 1990er Jahren laufenden Verkehr von Waren und Killern auf der berüchtigten „Route des Todes“ zwischen Mannheim und der sizilianischen Provinz Agrigent zu.

Dass „trotz umfangreicher Nachforschungen bislang kein Tatverdächtiger zu ermitteln war“, wie die Staatsanwaltschaft der taz mitteilte, kann man durchaus auch als Zufall werten beziehungsweise als den speziellen Schwierigkeiten bei Mafia-Delikten geschuldet.

Die „öffentliche Debatte“ zum Fall hatte der Mannheimer Morgen ein Jahr nach den Morden unter den Anwohnern allerdings schon so zusammengefasst: „Direkt danach hatten wir Angst. Wir dachten, da geht einer um und nietet wahllos alles um. Aber als es dann hieß, dass die Tat einen Mafia-Hintergrund hat, da war das für uns abgehakt.“

Mit manchen Toten kann die Öffentlichkeit eben offensichtlich sehr viel ruhiger leben als mit lebendigen „Araber-Clans“ – alles ein Frage der Aufmerksamkeitskonjunktur. Und Duisburg ist halt auch schon wieder verdammt lange her.

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