piwik no script img

funklochMaffay singt nicht

Auf der Funkausstellung wurde es gestern kurz hektisch. Aufgeregtes Tuscheln in den Hallen, nervöses Zischen auf den Gängen: „Maffay kommt.“ Ein eiliger Blick ins Ifa-Magazin, und tatsächlich: „Peter Maffay um 13 Uhr in Halle 22.“ Schon unterwegs die ersten Ohrwürmer: „Über sieben Flure musst du gehn, sieben dunkle Hallen überstehn . . .“

Philips hat sich in Halle 22 breit gemacht. Drinnen strahlen blaue Teppiche und kreisende Scheinwerfer gediegene Langeweile aus. Draußen hindern suchende Fans die mürrischen Ordner am Dösen. „Wo findet denn das Rockkonzert statt?“ „Rockkonzert?“

Eine Viertelstunde vor dem Auftritt füllt sich die Halle mit Langzeitstudenten und Harley-Bräuten. Dazwischen Muttis und Vatis, die quengelnde Kinder hinter sich herschleifen. Die Vatis sind fasziniert von den lustigen CD-Playern, die überall herumstehen. Knopf drücken, CD-Lade geht auf. Noch mal drücken, CD-Lade geht zu. Drücken, CD-Lade wieder auf . . .

Ein Moderator taucht auf und flunkert: „Es wird mit Sicherheit interessant.“ Fünf Minuten später trägt er sein gequältes Grinsen noch mal ins Scheinwerferlicht: „Ich weiß, ich bin noch nicht Peter . . .“ Aber dann kommt er, „der größte deutsche Rockmusiker der vergangenen 30 Jahre“.

Maffay trägt kurze Haare und Harley-Shirt. Seine Fans jubeln. Eine Streife mischt sich unters Volk. Nicht dass hier am Ende noch die Beschaulichkeit gestört wird. Null Chance. Denn Maffay singt gar nicht. Greift auch nicht zur Klampfe. Er redet bloß. Über die Mauer, die Wende, die sieben Brücken.

Und über Tabaluga, den niedlichen Drachen, und seine Stiftung für misshandelte Kinder. Der Moderator nervt. Prächtige „Fragen“ hat er sich ausgedacht: „Du hast dich ja auch politisch immer sehr engagiert.“ Und: „Du hast dich ja auch sozial immer sehr engagiert.“ Jaja. Die Gemeinde weiß das. Rocken soll der Peter jetzt endlich. Doch erst muss noch über seine neue DVD gequasselt werden. Ausschnitte flimmern über eine Leinwand.

„Kucken wir uns jetzt das Video von Peter Maffay an?“, fragt eine Mutti. „Das ist jawohl total bescheuert.“ Stimmt. Stocksteif steht Maffay neben dem groovenden Moderator und sieht sich selbst beim Musizieren zu – damals noch langhaarig.

Als er merkt, dass keiner den Clip sehen will, gibt er eilig Autogramme. Die welligen schwarzen Eddinglinien auf mitgebrachten Maffay-Sachen beruhigen die Fans. Am Ende kündigt Maffay unter Jubel einige Konzerte an. Nicht hier. Andernorts. Man habe zwar eigentlich nicht touren wollen, aber „ein Jahr ganz ohne Spielen kann kein gutes Jahr sein.“ Wie kann ein Tag ganz ohne Spielen dann ein guter Tag sein? CHRISTIAN TERIETE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen