Märchen zum Verlegerkongress: Es war einmal ein böses Google
Ein tapferer Ritter und sein schwerer Kampf gegen das böse Monster Google. Doch welche Rolle spielt die schwarze Fee Angela?. Ein Märchen zum Verlegerkongress.
BERLIN taz | Es war einmal ein mutiger, tapferer Ritter. Dem hatte vor ein paar Jahren ein ungnädiger König das eigene kleine Reich genommen und unseren mutigen, tapferen, leicht überengagierten Ritter an seinen Hofstaat geholt. Dort musste sich der Ritter jetzt um die Geschäftsinteressen und die "Public Affairs" des Königreichs kümmern. Und weil er ein mutiger und tapferer Ritter war, tat er auch das wieder mit dem ihm eigenen großen Engagement.
Im Königreich lebten aber viele sich verarmt fühlende Landgrafen, die ihr Dasein mit dem Verkauf von täglich neu bedrucktem Papier bestritten. Über lange Zeiten hatten sie damit ein gutes Auskommen gehabt, doch seit ein paar Jahren machte ihnen ein ungeheures Ungeheuer das Leben sauer. Denn das ungeheure Ungeheuer klaute immer die schönsten Stücke aus dem bedruckten Papier der Landgrafen und blies sie einfach frech und kostenlos in alle Welt.
Und die Landgrafen guckten in die Röhre und fühlten sich gleich noch ein bisschen ärmer, weil immer weniger Menschen ihr bedrucktes Papier kaufen wollten. Schon oft hatten sie deshalb Ritter aus dem ganzen Königreich über viele Meilen durch tiefe Wälder und endlose Schluchten bis an das große Meer geschickt, an dessen anderem Ufer, ganz im Westen, wo die Sonne untergeht, die Höhle des Google lag. Hier hütete es seinen unermesslich großen, funkelnden Schatz, der über und über mit Algorithmen und Edelsteinen besetzt war. Doch niemand war je von dort zurückgekehrt.
Der Streit: Seit rund zwei Jahren mäandert die Debatte über ein Leistungsschutzrecht (LSR) für Verleger dahin. Die Herren der Zeitungen wollen, dass auch ihre Produkte endlich ein eigenes Schutzrecht bekommen, wie es das für Produzenten von Filmen oder Tonträgern schon lange gibt. Damit - so ihre Hoffnung - könnten sie dann Presse-"Mitnutzer" zur Kasse bitten. Gedacht ist hier vor allem an Google - auch wenn Snippets (kurze Textteaser) vom LSR ausgenommen sein sollen. Am liebsten wäre den Verlegern natürlich auch noch eine Abgabe fürs Lesen von Verlagsseiten auf gewerblich genutzten Computern, doch auch die wird es kaum geben. Und obwohl sich die Regierungskoalition das Presse-LSR brav auf die To-do-Liste geschrieben hat und der Gesetzentwurf eigentlich seit Juni fertig ist, passiert weiter nichts. Die Reichtümer, die sich manche noch im Sommer 2010 erträumten, hat sich die Branche längst abschminken müssen. Und das liegt nicht zuletzt an ihnen:
Die Protagonisten:
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll für die Verleger so etwas wie die gute Fee spielen, in dem sie endlich das LSR auch für Zeitungen und Zeitschriften ins Urheberrecht schreibt. Doch sie kommt und kommt nicht dazu. Am Montag spricht Merkel beim Jahreskongress des Bundesverbandes der Zeitungsverleger. Doch auch die haben kaum noch Hoffnung, dass die Kanzlerin das LSR hübsch verpackt als Geschenk mitbringt.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) obliegt als Justizministerin natürlich der konkrete Gesetzentwurf. Viele Verleger finden aber, dass sie sich gar zu stiefmütterlich um ihr Herzensanliegen kümmert. Und dann auch noch so gemeine Wahrheiten sagt wie "Das wird nicht die goldene Kuh, mit der Presseverlage Milliarden verdienen können."
Christoph Keese (Springer), als Konzerngeschäftsführer Corporate Affairs der Oberlobbyist in Sachen Leistungsschutz, zieht weiter durch die Lande und kämpft für das LSR, gern auch auf seinem Blog www.presseschauder.de
Eines Tages rief nun der König unserem mutigen, tapferen Ritter zu sich: "Wenn wir das Ungeheuer schon nicht töten können, müssen wir es anders anstellen, sonst werden die Landgrafen am Ende noch völlig rammdösig", sprach der König zum Ritter. "Es muss doch irgendwie möglich sein, Google zu überlisten und unschädlich zu machen."
Ein Zauber von Angela
"Zu Befehl, mein König", antwortete da unser mutiger, tapferer Ritter, "ich habe eine Idee: Wenn wir diesem ungeheuren Ungeheuer Google nicht anders beikommen, müssen wir uns bei der guten Fee, der schwarzen Angela, einen Zauber wünschen. Einen so starken Zauber, dass das Google nicht mehr einfach so vom Papier unser Landgrafen fressen und es in alle Welt blasen kann, sondern uns sogar noch von seinem Schatz etwas abgeben muss."
Schon am nächsten Tag sattelte unser mutiger, tapferer Ritter sein kleines Pferd und brach Richtung Bundesberge auf, wo in einem prachtvollen Schloss, das von weitem an eine Waschmaschine erinnerte, die gute Fee, die schwarze Angela, wohnte. Die schwarze Angela aber hatte andere Sorgen, weil es in ihrem von schwarzen und gelben Höflingen bewohnten Hofstaat drunter und drüber ging und sie sich nun wirklich nicht um alles kümmern konnte. Aber weil sie eine gute und gnädige Fee war und überdies gern auf gutem Fuß mit dem König und seinen Papier bedruckenden Landgrafen stand, ließ sie unserem mutigen, tapferen Ritter mitteilen, sie habe sich seinen Wunsch aufgeschrieben und werde sich beizeiten darum kümmern.
Froh trabte unser Ritter von dannen und überbrachte die Kunde seinem König und den Landgrafen. Da hob ein großes Geklatsche und Gejubel an, weil sich die Landgrafen nun auf alle Zeit ihrer Sorgen mit dem bedruckten Papier entledigt glaubten. Einen ganzen Sommer lang feierten sie und malten sich aus, welche Reichtümer aus dem unermesslichen Schatz des bösen Google bald ihnen gehören würden. Doch der Herbst kam und ging ins Land, und die schwarze Angela rührte sich nicht. Der Winter zog heran und vor Kälte starr starrten die Landgrafen Richtung Bundesberge, dass doch endlich der ersehnte Bote mit dem ersehnten Zauberspruch erschiene.
Doch nichts erschien. Rein gar nichts. Einfach - nichts.
Die Landgrafen weinten bitterlich, weil immer weniger Menschen ihr täglich neu bedrucktes Papier haben wollten und alle nur noch das lasen, was das böse Google kostenlos in die Welt blies. Und so schickte der König unseren mutigen, tapferen Ritter ein zweites Mal zur schwarzen Angela. Dieses Mal hatte er den Landgrafen schon erklären müssen, dass es mit den Edelsteinen und Reichtümern aus dem Schatz des Google wohl noch etwas dauern würde. "Aber der Zauberspruch ist auch so ein halbes Königreich wert", behauptete der mutige Ritter tapfer. Und weil er dabei immer so aussah, als ob er sich das auch selbst glaubte, glaubten es ihm die Landgrafen schließlich auch.
Als unserer mutiger, tapferer Ritter nun zum zweiten Mal am Hof der schwarzen Angela in den Bundesbergen ankam, ging es dort noch stärker drüber und drunter als beim ersten Mal. Aber weil sie eine gute und gnädige Fee war, zeigte die schwarze Angela unserem Ritter eine lange Liste, wo unter dem Zauberwort "Koalitionsvertrag" tatsächlich unter Punkt 256 auch "Leistungsschutzrecht für Presseverlage" stand.
Weil nun aber die gute Fee Angela so arg mit dem Getöse in ihrem schwarz-gelben Hofstaat beschäftigt war, hatte sie ihrer ebenfalls mit magischen Kräften beseelten Stiefschwester befohlen, einen Entwurf für den Zauberspruch zu dichten. Doch die gelbe Sabine war unmärchenhaft cool drauf und durchschaute die Sorgen und Nöte der Papier bedruckenden Landgrafen: "Ha", sprach sie, "einen Zauberspruch könnt ihr haben. Aber wenn ihr glaubt, dass ich darin euer überkommenes Geschäftsmodell rette und für euch die Kastanien aus dem Feuer hole, habt ihr euch geschnitten."
Und so geschahs:
Die gelbe Sabine brachte den Zauberspruch zu Papier - und legte ihn in eine tiefe Schublade im Märchenschloss in den Bundesbergen. Und so sehr der mutige, tapfere, leicht überengagierte Ritter auch tobte und schmeichelte - da liegt er noch heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen