: Männer beim Spielen
■ Die Zubereitung der ultimativen Nudelsuppe oder was machen Yakuzas eigentlich im Urlaub: Tampopo und Sonatine spielen Ping Pong mit Japan-Stereotypen
Kino im Kino: In der ersten Reihe sitzt ein Herr im tadellosen Anzug und gibt seinem Unmut über den lärmenden Verzehr von Chips Ausdruck. Der Herr und eine laszive Dame werden später orales Ping-Pong mit einem rohen Eigelb spielen. Ein Trucker liest seinem Kollegen vor, wie das Essen einer Nudelsuppe in angemessener Weise zu zelebrieren ist, was sogleich von den literarischen Figuren demonstriert wird. Der Appetit der Trucker ist geweckt, eine Suppenküche angesteuert. Schnitt zum „Noodle-Western“: Der Fahrer, mit seiner Kopfbedeckung eine Art japanischer Eastwood oder Bronson, wird im Handumdrehen in einen Schlagabtausch mit einigen Galgenvögeln verwickelt.
Bereits der Anfang von Tampopo (1986) lässt durchbli-cken, dass nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird. Ein Potpourri von Anekdoten leitet uns in immer neue Gassen des Universums Esskultur, bis wir wieder unverhofft auf der Hauptstraße stehen, die den Aufstieg von Tampopos heruntergekommener Suppenküche verfolgt. Tampopo von Juzo Itami ist ein übermütiges Stückchen Film, dem Genres, Texte und Erzählkonventionen zu Bauklötzen gereichen, mit denen der schlichten japanischen Nudelsuppe ein amüsantes Denkmal gesetzt wird. In seiner Verspieltheit und dem ungebrochenen Glauben an das Bessere scheint Tampopo zudem ein nachgeborenes Kind der Siebziger. Wenn Tampopos Suppenküche zu guter Letzt in hygienischem Weiß erstrahlt, reichen sich Tradition und Moderne die Hand und schwärmen von einer Zukunft, die früher noch besser war.
Nur sieben Jahre später ist die Kategorie augenscheinlich obsolet. In Sonatine (1993) von Takeshi Kitano wird eine Gruppe Yakuzas nach Okinawa geschickt, um einer befreundeten Gang beizustehen. Der Auftrag entpuppt sich als Falle und nach einigen Verlusten beschließt man unterzutauchen. In einem Strandhaus findet der Rest der Bande Zuflucht – und eine Menge Zeit, die zu keinem Gebrauch bestimmt ist. Zeit, die die Männer beginnen, mit Spielen zu vertreiben. „Die Figuren spielen ihre ,Kinderspiele'“, laut Kitano, „einfach deshalb, weil nur mehr diese Dinge übrig bleiben, wenn man sonst absolut nichts zu tun hat oder nicht weiß, was man sonst tun könnte.“
In den luziden Aktionen der Yakuzas am Strand wird etwas von der Faszination spürbar, die dem selbstvergessenen Spiel an sich eigen ist: eine radikale Gegenwärtigkeit, die weder Vergangenheit noch Zukunft denkt. Den Männern beim Spielen zuzusehen ist ein großartiges Vergnügen, auch wenn wir ahnen, dass das Spiel ein Ende haben wird, zu dem Kitano aufbrechen muss, ohne dass ihm eine Zukunft versprochen ist. Doch immerhin hat Sonatine das Versprechen des Kinos gehalten, sich selbst auf einige Zeit zu vergessen.
Tim Gallwitz
Tampopo: Do, 16. bis Mi, 22. Dezember, jeweils 18 Uhr, 3001 Sonatine: Do, 16. + Sa., 18. + So, 19. Dezember, jeweils 20.30 Uhr, B-Movie
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen