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Mäh-Roboter gegen IgelNächtliches Gemetzel im Garten

Viel zu oft geraten Igel vor die Rotorblätter von Mährobotern – insbesondere weil Gar­ten­be­sit­ze­r:in­nen die Maschinen nachts einsetzen.

„Ich bin schon da!“, sagte der Igel zum Mähroboter. Der Roboter aber ist kein Hase und weniger respektvoll Foto: imago

Sobald sich die Nacht über deutsche Gärten legt, kommen sie aus ihrem Unterschlupf: die Mähroboter. Still und akribisch durchpflügen sie das Gras, während Mensch im Haus schlummert. Am nächsten Morgen erfreut sich der Roboterbesitzer bei Marmeladentoast und Kaffee am getrimmten Rasen.

Leider sind die Gewohnheiten des Spießbürgertums nicht nur bequem, sondern ignorant und fahrlässig. Denn zur selben Zeit wie die Mähroboter erwachen auch die Igel – und machen sich auf die Suche nach Nahrung.

Das leise mechanische Brummen des Rasenmähers verheißt für sie nichts ­Gutes, im Gegenteil: Es besteht ­Lebensgefahr! Denn natürlich rollen sich die Tiere im Angesicht der kopf- und gewissenlosen Mäher zusammen und kollidieren mit deren rotierenden Klingen. Igel als Kollateralschaden einer lebensfeindlichen Ordentlichkeit.

Mähroboter sind Ausdruck einer garten­kulturellen Entfremdung. Selbstverständlich wollen die Deutschen einen großen, adretten Rasen vor der Tür, aber kümmern wollen sie sich nicht.

Dabei ist es ja nicht mal so, als müssten sie ihre Halme in der Mittagshitze eigenhändig mit einer Sense bearbeiten.

Flächendeckendes Nachtfahrverbot, jetzt!

Doch offenbar scheint selbst der Rasenmäher zu unhandlich geworden zu sein. Also delegieren sie die Arbeit an einen Roboter, der diese aber bitte nicht vor ihren Augen verrichtet. Lieber soll er nachts seine Bahnen ziehen. Mal abgesehen davon, was Mähroboter sonst noch so an Artenvielfalt zersäbeln, werden diese Bahnen zur Todeszone für den nachtaktiven Igel.

Allein in Leipzig wurden im Jahr 2024 so mindestens 40 Igel getötet und 400 verletzt. Das Wort Dunkelziffer ist hier wörtlich zu nehmen: Denn die meisten Tiere hieven sich schwer ­verletzt ins nächste Gebüsch und werden nie gefunden. Nach einer Untersuchung des Leibniz-Instituts stirbt die Hälfte aller durch Mähroboter verletzten Igel.

Immerhin haben Leipzig und einige andere Städte wie Düsseldorf, Köln und Mainz mittlerweile ein Nachtfahrverbot für Roboterrasenmäher erlassen, das von 30 Minuten vor Sonnenuntergang bis 30 Minuten nach Sonnenaufgang gilt. Der Bestand des in Deutschland verbreiteten Braunbrustigels geht seit Jahren zurück. Weil sein Lebensraum durch intensive Landwirtschaft und die Klimakrise zerstört wird, steht er auf der Vorwarnliste für gefährdete Arten. Da müssen wir nicht noch den Mäher auf ihn loslassen.

Auch von Beschwichtigungen einiger Mähroboter-Hersteller sollte man sich nicht einlullen lassen. Deren ­Erkennungssysteme sind laut einer Studie der Uni Aalborg nämlich noch viel zu fehleranfällig.

Generell gilt also: flächendeckendes Nachtfahrverbot, jetzt! Und: Wer schon einen Mähroboter verwendet, sollte ihn tagsüber laufen lassen und bei der Arbeit beaufsichtigen. Oder den Job gleich selbst erledigen.

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3 Kommentare

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  • Es wäre so einfach zu regeln.



    Mähverbot mit Einbruch der Dunkelheit, und kein Igel käme mehr zu Schaden. Das ist aber Sache der Gemeinde, und somit leicht umsetzbar.

  • Die "garten­kulturellen Entfremdung" ist doch schon sehr lange im Gange. Schon vor fünf Jahrzehnten sahen viele Eigenheimgärten so geleckt und steril aus, dass ich mich immer wieder gefragt habe, was daran schön sein soll. Ich habe es bis heute nicht verstanden.

    • @Minion68:

      Steril ist das richtige Wort. Rund um unser Haus wird so oft gemäht, dass nicht mal ein Blümchen Zeit hat, zu wachsen. Ödes Grün, wohin man blickt.



      Ich lasse 90% wachsen, mähe vielleicht zwei mal im Jahr und erfreue mich den Rest der Zeit an der Vielzahl von Gräsern, Blumen, Schmetterlingen, Hummeln und Bienen. Da kommt jedes Jahr was neues raus :)