Maduro ernennt neuen Ölminister: Venezuelas Präsident greift durch
Der Chef der staatlichen Ölgesellschaft wird neuer Ölminister. Sein Vorgänger war nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten.
Erst Anfang Januar wurde Tellechea von Präsident Maduro zum neuen Chef der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA (Petróleos de Venezuela) ernannt. Dass die beiden Ämter in einer Person vereint sind, ist kein Novum in Venezuela. PDVSA ist der wichtigste und einzige wirkliche Devisenbringer für den Staat. Die Kontrolle über die Geschäfte des Ölunternehmens ist eine Säule des Regimes.
Für die Besetzung des Ministerpostens war Eile geboten, nachdem Amtsvorgänger Tareck El Aissami am Montag überraschend seinen Rücktritt verkündet hatte. El Aissami reagierte damit auf die Verhaftungen von rund 20 Mitarbeiter*innen im Ölministerium. Der Verdacht: schwerwiegende Korruption. Offenbar waren rund 3 Milliarden Dollar aus der Ölindustrie „verschwunden“.
Gegen Tareck El Aissami wird bisher nicht ermittelt, was jedoch wenig verwundert. Der frühere Innen- und Justizminister sowie Vizepräsident gehört seit der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Hugo Chávez zum engeren Führungskreis des Regimes. Dass er dennoch seinen Hut nehmen musste, bestärkt die Vermutung, dass es um weit mehr als 3 Milliarden geht.
Milliarden Dollar angehäuft
Als Tellechea seine Arbeit als PDVSA-Chef antrat, leierte er eine sofortige Überprüfung des Ölkonzerns an. Diese deckte offensichtlich nicht nur ein riesiges Loch in der Konzernkasse auf, sondern ergab auch, dass ganze Öltankerladungen die Häfen Venezuelas ohne finanzielle Gegenleistung verlassen hatten. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat PDVSA in den letzten drei Jahren Forderungen in Höhe von 21,2 Milliarden Dollar aus Ölverkäufen angehäuft. Von den zwischen Januar 2020 und März 2023 in Rechnung gestellten Ölexporten in Höhe von insgesamt 25,3 Milliarden Dollar landeten nur etwas mehr als 4 Milliarden Dollar tatsächlich in den Kassen von PDVSA.
Reuters beruft sich auf die Sichtung von Vertrags- und Lieferdokumenten von Zwischenhändlern. Nach dem von der US-Regierung verhängten Embargo gegen den venezolanischen Ölsektor im Januar 2019 musste das Staatsunternehmen verzweifelt nach neuen Abnehmerstaaten, Zwischenhändlern und Reedereien suchen. Nicht nur der wichtige Absatzmarkt von PDVSA in den USA war plötzlich weggebrochen: Allen Unternehmen und Reedereien, die mit Venezuela Geschäfte machen, drohten schwere US-Sanktionen, die erst mit der durch den Ukrainekrieg verursachten Ölknappheit etwas gelockert wurden.
Eine offizielle Bestätigung für die PDVSA-Zahlen gibt es nicht. Allerdings passt ins Bild, dass der neue Chef Tellechea alle Lieferungen und bereits beladene Öltanker stoppen ließ. Außerdem verfügte er, dass Lieferungen von nun an nur noch gegen Vorauszahlung erfolgen dürfen.
Wie viele Milliarden Dollar aufgrund der allgemein grassierenden Korruption und Bereicherung tatsächlich versickert sind, bleibt offen. Schon in der Vergangenheit machte der Konzern Schlagzeilen, als im Jahr 2017 zwei ehemalige PDVSA-Chefs und 2018 weitere Beschäftigte verhaftet wurden.
Bevölkerung leidet unter Armut und Gewalt
Nach Angaben der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) ist die venezolanische Ölproduktion auf knapp über 600.000 Barrel pro Tag gesunken. Vor einem Jahrzehnt waren es noch mehr als 3 Millionen Barrel pro Tag.
Wo auch immer die Milliarden Dollar aus der Ölbranche sind: Sie fehlen in einem Land, in dem 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Vorbei sind immerhin die Versorgungsengpässe, die lange die gesamte Bevölkerung betrafen. Nach UN-Angaben mussten dennoch bereits 7 Millionen Menschen Venezuela verlassen – sie konnten der herrschenden Armut und Gewalt innerhalb ihres Landes nicht entkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“