Machtwechsel in Nigeria: Goodluck übernimmt Präsidentschaft
Nachdem Nigerias Präsident YarAdua seit zwei Monaten in Behandlung ist, übernimmt der Vizepräsident die Regierung. Die Opposition verurteilt die Amtsübertragung als illegal.
So erleichtert wie am gestrigen Mittwoch war Nigeria seit 80 Tagen nicht mehr. "Das Parlament ist endlich aus seinem Tiefschlaf erwacht", freut sich der Umweltaktivist Nnimmo Bassey. "Es ist eine Schande, dass die Politik diesem Chaos nicht früher ein Ende gemacht hat." Auch Abel Oshevire, Abgeordneter im Bundesstaat Delta in Nigerias Ölgebieten, atmet auf. "Es ist eine große Erleichterung, dass Goodluck Jonathan jetzt amtierender Präsident ist", so der Politiker. "Besser spät als nie."
Es war 22 Uhr am Dienstag, als der frischgebackene Staatschef seine erste Fernsehansprache hielt. "Ich nehme das Amt geehrt und mit Demut an", so Jonathan. "Mehr als je zuvor bitte ich alle gottesfürchtigen Nigerianer, für die vollständige Erholung und baldige Rückkehr unseres geehrten Präsidenten Umaru YarAdua zu beten." YarAdua wird seit Ende November in Saudi-Arabien medizinisch behandelt.
Klare Worte sprach Jonathan über seine Prioritäten der kommenden Monate: die Amnestie für Rebellen in den Ölgebieten des Nigerdeltas müsse fortgesetzt, die Schuldigen der blutigen Unruhen in Jos im Zentrum Nigerias müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "Den Krieg gegen Korruption werden wir noch robuster angehen", versprach Jonathan. Nigerianer erhoffen sich von ihm auch eine Lösung der anhaltenden Energiekrise.
Nur Stunden vor seiner Rede hatten erst der Senat und dann das Abgeordnetenhaus entschieden, dass Jonathan vorübergehend die Macht vom indisponierten Präsidenten Umaru YarAdua übernehmen soll. Mit den Worten, "Es gibt eine Zeit im Leben einer Nation, da muss man für die Wahrheit aufstehen", hatte Senatspräsident David Mark die Abstimmung eingeleitet. "Wir müssen uns nicht mit technischen Details beschäftigen, sondern tun, was die Verfassung nicht vorhersah."
Das sehen bei weitem nicht alle so. Der Sprecher der Oppositionspartei AC (Aktionskongress), Lai Mohammed, verurteilte die Amtsübertragung auf Jonathan als illegal. Seine Klage wird nicht die einzige bleiben.
Der Rechtsstreit ist nicht die einzige politische Bewährungsprobe, die Jonathan bevorsteht. So ist unklar, ob er die Regierung hinter sich hat. Zwar kündigte Justizminister Michael Aondoakaa gestern an, das Kabinett werde Jonathan unterstützen. "An diesem Punkt ist es wichtig, dass wir alle nach vorne schauen." Doch die Minister, die aus Angst um ihre Posten bislang stets einen Machtwechsel abgelehnt haben, werden Jonathan nur dann unterstützen, wenn sie darin für sich einen Vorteil sehen.
Ähnlich stellt sich die Lage im Parlament dar, das als eines der unfähigsten in Nigerias fünfzigjähriger Geschichte gilt. Die seit drei Jahren beschlossenen Gesetzesvorhaben lassen sich an einer Hand abzählen. Eine nach dem Chaos bei Nigerias letzten Wahlen 2007 versprochene Wahlrechtsreform, die im März beschlossen werden soll, ist noch nicht einmal in Ansätzen abstimmungsreif. Dass vor den nächsten Wahlen 2011 eine Einigung erzielt wird, ist ohnehin unwahrscheinlich. Denn der Wahlkampf für 2011 hat in vielen Bundesstaaten bereits begonnen.
Für Bürgerrechtler ist zudem der grundlegende Auslöser der Krise ungelöst. "Der Präsident entspricht in unserem System dem Staat", erklärt der Konfliktforscher Udenta Udenta. "Die Abwesenheit eines einzigen Mannes reicht aus, um Nigeria ins Chaos abgleiten zu lassen. Das kann ja wohl nicht richtig sein." Die Krise, so glaubt auch Auwal Musa Ibrahim vom NGO-Netzwerk Cislac, wird weitergehen - so lange, bis das Volk mehr Einfluss auf die Politik hat.
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