Machtkampf in der Union: Maloche statt Märchenschloss
Nach dem Prunk-Empfang durch Markus Söder besuchte Angela Merkel nun auch Armin Laschet. Die NRW-Stippvisite verlief betont bodenständiger.
BERLIN taz | Ginge es beim Rennen um die Kanzlerkandidatur nur darum, der gegenwärtigen Amtsinhaberin einen passenden Empfang zu bereiten, wäre wohl Armin Laschet der klare Sieger. Am Dienstag begrüßte der NRW-Ministerpräsident Angela Merkel, und zwar mit bewusst wenig Glanz und Gloria, dafür mit viel Bodenständigkeit: Das Industriedenkmal Zeche Zollverein in Essen war die Kulisse für den Besuch aus Berlin. Bergbau statt Barock, es passte gut zur unprätentiösen Art der Kanzlerin, ihrem Faible fürs Wandern und deftiger Kartoffelsuppe.
Damit bot Laschet den maximalen Kontrast zu jener Inszenierung, die sein Konkurrent um die Kanzlerkandidatur, Markus Söder, zuletzt veranstaltete. Im Juli empfing der bayerische Ministerpräsident Merkel mit viel Pomp am Herrenchiemsee – Kutschfahrt und Bootsausflug inklusive. Wie ein Sonnenkönig machte er der Kanzlerin im barocken Schloss die Aufwartung. Merkels nüchternes Fazit damals: „Ich kann nur sagen, Bayern hat einen guten Ministerpräsidenten.“
Völlig anders also die Szenerie bei Laschet am Dienstagnachmittag. Im altehrwürdigen Ständehaus in Düsseldorf, wo einst der NRW-Landtag tagte, fand gerade die Kabinettssitzung der schwarz-gelben Landesregierung statt, Merkel nahm daran teil. Nun steht die Kanzlerin im pinkfarbenen Blazer neben Laschet, und berichtet über das Treffen. Die Pandemie habe auch hier im Mittelpunkt gestanden, sagt sie.
Nur: Genauso wie bei Merkels Ausflug an den Chiemsee wird dieser NRW-Besuch vor allem in mit Blick auf den Machtkampf in der Union gedeutet. So dauert es bei der Pressekonferenz auch nicht lange, bis dieses Thema aufkommt: Ob sie Laschet für kanzlertauglich halte, fragt eine Journalistin. Merkel klingt da ähnlich wie in Bayern damals: „Ich mische mich in die Nachfolge nicht ein“, sagt sie. Als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes habe er aber zweifellos das „Rüstzeug“ und die „Fähigkeiten“, Kanzler zu sein, fügt Merkel an. Mehr wollte sie nicht sagen. Nach dem Auftritt fuhren Merkel und Laschet nach Essen, zur Zeche Zollverein.
Über einen Besuch bei Merz und Röttgen ist nichts bekannt
Im Wettbewerb um den CDU-Parteivorsitz – und die Kanzlerkandidatur – lief es für Laschet zuletzt wieder besser. Was weniger daran lag, dass er selbst Erfolge einheimste. Im Gegenteil: Sein abgebrochener Besuch in einem griechischen Flüchtlingslager und ein Foto mit ausschließlich hemdtragenden CDU-Männern näherte den Eindruck, dass der Rheinländer kaum ein Fettnäpfchen auslässt.
Nein, ein wenig Aufwind bekam der 59-Jährige jüngst dadurch, dass sein CSU-Konkurrent Söder Federn lassen musste. Grund ist die Corona-Testpanne bei Reiserückkehrern. Auch wenn eine Mehrheit unverändert dem CSU-Mann die Kanzlerschaft zutraut – Laschet dürfte Söders Fauxpas, so schlimm die Folgen auch sind, mit etwas Genugtuung aufgenommen haben. Söder als oberster Corona-Krisenmanager – dieses Bild hat zuletzt jedenfalls Schrammen bekommen.
So bleibt als Fazit von Merkels Besuch: Die Kanzlerin hält sich in der Frage um ihr Nachfolge weiter bedeckt. Das Rennen um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur geht erst mal weiter, bis zum Bundesparteitag in Stuttgart sind es noch dreieinhalb Monate. Eine lange Zeit, zumal der Druck, personell Klarheit zu haben, durch die frühzeitige Nominierung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten noch mal gestiegen ist. Jüngst rief der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther die Kandidaten auf, vorab eine einvernehmliche Lösung zu treffen. Bislang sieht es danach nicht aus.
Und sonst? Merkel lobte noch, dass sie sich an „verschiedenen Dingen“ erfreuen könne – an Kutschfahrt und Ständehaus gleichermaßen. Über einen Besuch Merkels bei den anderen CDU-Kandidaten, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, ist indes nichts bekannt. Nur dass es für Merkel am Donnerstag wieder gediegener zugehen wird: Dann erwartet sie der französische Präsident Emmanuel Macron − in seiner Sommerresidenz an der Côte d’Azur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag