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Machtkampf in VenezuelaZwei gegen einen

Oberster Gerichtshof und Regierung verhindern, dass die Opposition die Macht einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament tatsächlich ausüben kann.

Chavistas auf der Plaza Bolivar vor den Portraits ihrer Helden: Simón Bolivar und Hugo Chávez Foto: reuters

Caracas taz | Der Machtkampf zwischen Venezuelas Präsident Nicolás Maduro und der von der Opposition dominierten Nationalversammlung geht auf die nächste Stufe. Am Montag erklärte der Oberste Gerichtshof alle bisher getroffenen und zukünftigen Entscheidungen des Parlaments wegen Missachtung der Justiz für nichtig und verlangte die Rücknahme der umstrittenen Vereidigung dreier Abgeordneter. Damit schlug sich die Judikative auf die Seite des Präsidenten.

Hintergrund ist die Anordnung der Obersten Richter vom Dezember, das Wahlergebnis im Bundesstaat Amazonas wegen eines mutmaßlichen Stimmenkaufs vorläufig auszusetzen. Demzufolge hätten die vier in diesem Bundesstaat gewählten Abgeordneten – drei von der Opposition, einer von der Regierungspartei – ihr Mandat am 5. Januar nicht antreten dürfen; und damit hätte die Opposition auch nicht mehr die Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten, die ihr das Quorum zu sehr weitreichenden Veränderungen sichert.

Die Opposition sieht die Gerichtsentscheidung als „juristischen Putsch,“, und während der Abgeordnete des Regierungsbündnisses der juristischen Anordnung folgte, vereidigte die Opposition ihre drei Delegierten. Dagegen legte der Regierungsblock prompt Beschwerde ein, der die Richter am Montag stattgaben.

„Es besteht kein Zweifel daran, dass der Oberst Gerichtshof im Dienst der Regierung steht,“ zeigte sich Parlamentspräsident Henry Ramos alles andere als überrascht und sprach den Obersten Richtern jegliche Legitimation ab. Noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments hatte die abgewählte, noch amtierenden Nationalversammlung Ende Dezember 13 der 32 Richter des Obersten Gerichtshofes mit regierungsfreundlichen Juristen besetzt.

„Bringt den Krempel in den Präsidentenpalast“

Diosdado Cabello, zweitmächtigster Chavista und Abgeordneter, ficht dies alles nicht an. „Jede Entscheidung nach der Vereidigung der drei Abgeordneten ist illegal,“ so Cabello. Sollte die Nationalversammlung den Obersten Richterspruch nicht anerkennen, entstünde ein Machtkonflikt. Solange diese Vereidigung nicht zurückgenommen werde, sei das Parlament nichts anderes als ein Debattierklub und solange sei für die Verabschiedung von Gesetzen der Oberste Gerichtshof zuständig.

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Auf der Plaza Bolívar, nur einen Steinwurf von der Nationalversammlung, ist die Stimmung schon seit einigen Tagen aufgeheizt. „Jetzt wird die Konterrevolution in die Zange genommen, carajo!“ freut sich ein rotbehemdeter chavistischer Veteran mit Barett auf dem Kopf.

Traditionell ein Treffpunkt überzeugter Chavistas, steht auf der Plaza seit einigen Tagen auch eine Sammlung von Bildern des Comandante Hugo Chávez. Mit den Worten, „bringt den ganzen Krempel in den Präsidentenpalast“ hatte Parlamentspräsident Henry Ramos sämtliche Porträts von Hugo Chávez, Nicolás Maduro und Simón Bolívar aus dem Parlamentsgebäude entfernen lassen und für einen Aufschrei der Empörung unter den Chavistas gesorgt.

Hoffnung auf Druck von der Straße

Auch Verteidigungsminister General Vladimir Padrino sprach von einem beleidigenden Vorgang und stellte sich und das Militär demonstrativ hinter Chávez und Maduro. Dagegen erntete Ramos Sympathie unter den Anhängern. Endlich einer, der die Chavistas in die Schranken weise, so der Tenor.

Doch der Jubel ist zugleich verhalten. Die Hoffnung ist groß, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament der Regierung tatsächlich etwas entgegensetzt, aber auch ein bisschen verzweifelt: „Wenn die Zwei-Drittel-Mehrheit nicht reicht, das Ruder herumzuwerfen, dann bleibt uns wirklich nur noch der Druck von der Straße,“ so Jurastudent Miguel Tapia.

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