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Machtkampf im IranAhmadinedschad will Uni kontrollieren

Irans Präsident Ahmadinedschad will den Vorstand der größten Bildungseinrichtung des Landes mit seinen Anhängern besetzen – und stößt dabei auf Widerstand.

Studentenproteste in den USA (University of Minnesota Twin Cities). Bild: Eric James MPLSCC-BY-SA

BERLIN taz | Der Machtkampf innerhalb des herrschenden konservativen Lagers im Iran wird derzeit auf einem neuen Schauplatz ausgetragen: dem der Azad-Universität, der größten Bildungseinrichtung des Landes. Kürzlich versammelten sich rund zweihundert Demonstranten in Teheran vor dem Parlament mit der Forderung, die "unfähigen Abgeordneten" hinauszuwerfen. "Das Parlament der Aristokraten ist eine Schande", stand auf den Plakaten. Sicherheitskräfte unternahmen keinen Versuch, die angeblich spontane Demonstration aufzulösen.

Aktueller Anlass für die Protestversammlung war ein Beschluss der Mehrheit der Abgeordneten, der eine vom Obersten Rat der Kulturrevolution beschlossene Satzungsänderung der Azad-Universität (Freie Universität) rückgängig machte.

Die Azad-Universität verfügt nicht nur über hunderte von Universitäten, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen, sie ist auch im Ausland, vor allem in den arabischen Nachbarstaaten, vertreten. Das gigantische Unternehmen, das 1983 auf Initiative von Expräsident Haschemi Rafsandschani gegründet wurde, sollte unabhängig von der Regierung einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Entwicklung leisten. Heute wird die Universität von rund anderthalb Millionen Studierenden besucht.

Zum Vorstand der Universität gehören neben Rafsandschani auch der Oppositionsführer und ehemalige Ministerpräsident Mir Hossein Mussawi sowie einige moderate Konservative. Die Regierung von Mahmud Ahmadinedschad ist seit ihrer Amtsübernahme bemüht, den alten Vorstand zu verdrängen und die Azad-Universität ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Nun hatte der Rat der Kulturrevolution, dem Ahmadinedschad vorsteht, eine diesem Ziel entsprechende Satzungsänderung beschlossen.

Das Parlament lehnte diesen Beschluss ab. Auch die Justiz entschied, dass der Rat der Kulturrevolution nicht zu einer Satzungsänderung befugt sei.

Parlamentspräsident Ali Laridschani bezeichnete die Demonstration vor dem Parlament als einen Akt der Feindschaft gegen "eine der drei Gewalten" des islamischen Staates. Diese offene Beleidigung des Parlaments und seines Vorsitzenden lasse sich weder mit dem "Erbe von Ajatollah Chomeini vereinbaren noch mit dem Führungsstil des Revolutionsführers Ali Chamenei".

Auch die beiden Oppositionsführer Mussawi und Mehdi Karrubi bezeichneten in einer gemeinsamen Erklärung die Attacken gegen das Parlament als eine bewusst "geplante" Aktion, die zur "Schwächung der Volksvertretung" führen solle. Ferner warfen sie der Regierung vor, einerseits legal angemeldete Demonstrationen nicht zuzulassen und andererseits es eigenen Leuten zu erlauben, jederzeit zu demonstrieren.

Der Konflikt zwischen der Regierung Ahmadinedschad und dem Parlament, in dem die Konservativen die absolute Mehrheit haben, verdeutlicht einmal mehr die tiefe Spaltung, die sich spätestens seit der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinedschads im Juni vergangenen Jahres und den darauf folgenden Unruhen vollzieht. Die Ultrarechten mit Chamenei und Ahmadinedschad an der Spitze streben ein Monopol der Macht an und sind dabei, nicht nur die Reformer, sondern nun auch moderate Konservative auszuschalten.

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