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Archiv-Artikel

Mach doch mal langsam

In mehreren Düsseldorfer Häusern werden parallel verschiedene Positionen aktueller Kunst gezeigt: Eine bunte Mischung internationaler junger und etablierter Kunst behauptet Zeitgenossenschaft

AUS DÜSSELDORFKÄTHE BRANDT

Marc Camille Chaimowicz bewegt sich etwas steif zwischen freier und angewandter Kunst. Der 58-jährige Franzose wird in seiner ersten Einzelausstellung in Deutschland im Düsseldorfer Kunstverein vorgestellt. Postmoderne Indifferenz wird bei ihm zu einer Retro-Ästhetik, deren schönstes Ergebnis wohl der saharafarben gemusterte, trapezförmige Teppich ist, der für den Betrachter die perspektivische Verzerrung gleich mitdenkt. Wenn auch die Arbeiten von Chaimowicz keine Vorschläge zu den existentiellen Bedingungen unseres Lebens machen, stellen sie doch private Alltagsrituale als Inszenierung bloß.

Nebenan bespielen Düsseldorfer Akademieabsolventen und -studenten mit „Compilation II“ die restlichen Räume der Kunsthalle und geben Einblick in das aktuelle Geschehen der Szene. Damit kommt der Musentempel einer seiner wichtigen Aufgaben nach, nämlich das aktuelle Kunstgeschehen, international, aber eben auch regional zu begleiten. Die Schau zeigt hauptsächlich großformatige und raumgreifende Arbeiten, die sich auf ihre architektonische Umgebung beziehen. So Martin Pfeifles Holzkonstruktionen, die sich röhren- oder schalenartig gleich durch mehrere Räume ziehen oder Constantin Wallhäusers Riesen-Floß, das auf Theodore Gericaults „Floß der Medusa“ (1816) anspielt. „Compilation II“ ist eine Künstlerausstellung: Die Nähe der Gattungen, vor allem aber das sichtbare Zusammenspiel der Arbeiten, dazu die erkennbar gemeinschaftliche Konzeption und Ausführung scheinen die Ausstellung der Kunsthalle zu einem Forum zu machen, auf dem sich junge KünstlerInnen präsentieren und Stellung beziehen können, ohne in einer Konkurrenzsituation bestehen zu müssen. Das scheint ein seltenes Glück zu sein.

Einige hundert Meter entfernt präsentieren sich im museum kunstpalast 38 teils etablierte, teils junge, unbekanntere Künstler aus Belgien und den Niederlanden. „Slow Art“ ist eine Gruppenschau, deren thematische Klammer die Bedingungen der intensiven, langwierigen Kunstrezeption und -produktion und ihre gemeinsamen lokalen Wurzeln sind. Schon im Foyer begegnet der Besucher der ersten Irritation: Carsten Höllers Karussell fährt so langsam, dass erst bei genauerem Hinsehen überhaupt erkennbar wird, dass sich hier etwas bewegt. Eine schöne Einstimmung auf eine Ausstellung, welche die gewohnte Geschwindigkeit des professionellen Kunstbesuchs kritisch befragen und bremsen möchte. Die gebremste Geschwindigkeit ist ein motivischer, aber längst nicht der einzige Aspekt von Langsamkeit. Höller dehnt nicht nur die Zeit der Bewegung von Objekten und Filmen, sondern auch die Zeit der Betrachtung. Der sacht vom Wind bewegte Baum in regloser Landschaft in David Claerbouts Video, die sich langsam drehende Perücke der jungen Frau in Yael Davids Film oder auch der immer wieder entschwindende Zug auf dem filmisch animierten Aquarell von Ger van Elk zeigen die technisch erzielte Verlangsamung.

Andere Arbeiten wie etwa Aernout Miks kämpfende alte Männer, Jan Fabres Pferdetorso, Thierry De Cordiers schwarzer Vogelmensch oder Juul Kraijers befremdliche Bleichstiftporträts spielen lieber mit Motiven der Kunstgeschichte oder mit Sinnbildern des Todes als endgültiger Bremse von Geschwindigkeit. Oftmals gibt sich die Stillstellung lebendiger Prozesse erst auf den zweiten, behutsamen Blick zu erkennen. Die Ausstellung „Slow Art“ weist so in einer gelungenen Zusammenschau auf komplexe Bezüge unserer Wahrnehmung von Kunst, ohne penetrant zu werden oder pädagogisch zu nerven. Luc Tuymans Bild „Flämisches Dorf“ ist in seiner Langweiligkeit gar ein Beispiel künstlerischer Erlahmung und gebremster Sensation.

„Slow Art“, bis 7. 11.„Compilation II“, bis 6. 11.„Marc Camille Chaimowicz“, bis 6. 11.