piwik no script img

Archiv-Artikel

hört auf den Sound der Stadt

TIM CASPAR BOEHME

Lärm tut manchmal auch not. Was sicherlich keine allgemeingültige anthropologische Konstante ist. Doch für einige Menschen hat die akustische Verschwendung einen ähnlich karthatischen Wert wie das ausschweifende Feiern oder andere Überschüssigkeiten. Und das Schönste daran: Die ästhetische Indienstnahme von Krach geht im Grunde nie restlos auf, irgendwie bleibt immer ein widerständiger Rest zurück, der sich klaren Zwecken verweigert. Das mag man dann wahlweise anstrengend finden oder toll. Zur Probe kann man am Freitag im Berghain das Proto-Industria-Metal-Projekt Godflesh aufsuchen, das sich nach längerer Pause wieder zusammengerauft hat, um dem Leiden an der Welt mit stoisch knirschendem Pathos Ausdruck zu verleihen. Unterstützt werden die Veteranen von jüngeren elektronischen Tüftlern wie Helena Hauff oder Shapednoise, die die Vereinbarkeit von Geräusch und Tanz erkunden (Am Wriezener Bahnhof, 20 Uhr, 14–22,50 €).

Weniger lautstark, aber nur eingeschränkt gefälliger geht es am Samstag im Radialsystem V zu, wenn das junge Boulanger Trio einen Abend mit Musik, Wein und Gesprächen dem österreichischen Komponisten Thomas Larcher widmet, der in seiner Musik romantischen Ausdruck mit einer mikroskopisch ausdifferenzierten Klangsprache verbindet. Larchers Komposition „Branches“ wird als Kontrast das Trio c-Moll op. 66 von Felix Mendelssohn Bartholdy gegenübergestellt (Holzmarktstr. 33, 20 Uhr, 18/11 €).

Am Sonntag erhält das NK hohen Besuch von US-amerikanischen Jazz-Veteranen: The Pyramids zählten in den siebziger Jahren zu den radikalsten Ensemble des Avantgarde-Jazz und beschäftigten sich schon früh mit afrikanischen Traditionen, die sie auf ausgedehnten Reisen durch Länder wie Ghana, Nairobi oder Äthiopien direkt an Ort und Stelle erkundeten. Von dort brachten sie dann auch ein sehr entspanntes Verständnis für Groove mit, stellten ihre musikalischen Bemühungen 1977 allerdings vorläufig ein. Nach 30 Jahren gründeten sie sich erneut und sind in ihrer aktuellen Besetzung unter anderem mit zwei Bässen unterwegs (Elsenstr. 52, 20 Uhr).

Um die Erweiterung des Jazz machen sich ebenfalls die jungen Musiker Peter Meyer, Bernhard Meyer und Moritz Baumgärtner verdient. In der Rocktrio-Besetzung Gitarre, Bass und Schlagzeug bringen sie als Melt Trio die Grenzen von Jazz, Indie, Prog- und Post-Rock zum Verschwinden. „Hymnolia“ heißt ihr zweites Album, das die Berliner Musiker am Dienstag im WestGermany vorstellen werden. Verstärkung erhalten sie vom US-amerikanischen Saxofonisten Tony Malaby, der mit seinem TubaCello Quartet zu Gast ist (Skalitzer Str. 133, 21 Uhr).