MIT VERDÄCHTIGER EFFEKTIVITÄT WIRD DAS THEMA KAMPFHUNDE BEWÄLTIGT: Politik in Düsengeschwindigkeit
Feind der Woche: der Kampfhund. Der Kampfhundebesitzer. „Das Milieu“, in dem solche Tiere gehalten werden. Ein Traumthema für Populisten wie Bundeskanzler Schröder: Es regt alle auf – sogar die Betroffenen, die jetzt möglicherweise ein Entsorgungsproblem am Bein haben. Es lassen sich relativ schmerzlos, sprich ohne den Verlust von Wählern, Gesetze gegen die Haltung der allseits verhassten Tiere erlassen.
Tatsächlich nutzten viele Politiker die allgemeine Empörung als willkommene Gelegenheit, um schnelles, problemorientiertes Handeln zu demonstrieren: Nur acht Tage nach dem Tod des sechsjährigen Volkan wird etwa in Berlin Vorschrift, wofür Bürgerinitiativen seit langem erfolglos kämpfen: Gefährliche Hunde müssen einen Maulkorb tragen und an die Leine genommen werden. Auch in den anderen Ländern treten in Windeseile ähnliche Gesetze in Kraft.
„Verbot in Düsengeschwindigkeit“, lobte auch gleich die türkische Zeitung Zaman mit unverhohlenem Neid auf die flinken Deutschen. Und lamentiert, dass türkische Politiker nie so schnell reagieren würden. Als aktuelles Beispiel führt die Zeitung die veraltete Verkehrsordnung an: Obwohl Jahr für Jahr tausende Menschen unter die Räder kämen, könne sich das Parlament nicht zu Reformen durchringen.
Besser hinsehen, liebe Türken! Selten sind hier in Deutschland über ein totes Kind so viele Artikel geschrieben worden, haben sich so viele Politiker zu mitfühlenden Worten verpflichtet gefühlt wie im Falle des kleinen Volkan. Dabei stirbt jeden zweiten Tag ein Kind im Straßenverkehr. Die Medienpräsenz solcher Unfälle: eine Todesanzeige in der Lokalzeitung. Mitfühlende Worte: der Pfarrer bei der Beerdigung, die Freunde.
Ohne Frage: Kampfhundehalten ist sinnlos, dient allenfalls dem „Milieu“ als Statussymbol. Autos hingegen, die Hauptverursacher von tödlichen Unfällen, sind Transportmittel, für die viele Menschen unverzichtbar. Aber auch sie sind Statussymbole – allerdings über „das Milieu“ hinaus, also auch für die Schröders und die meisten Wähler.
Verständlich also, warum es unendlich populärer ist, Maulkorbpflicht und Leinenzwang für Kampfhunde einzuführen als Spielstraßen, Fußgänger- oder Tempo-30-Zonen. Der politische Wille, Kinder – und auch Erwachsene – vor Gefahren zu schützen, ist nur so lange vorhanden, wie er kaum Wählerstimmen kostet. „Die Kampfmaschinen müssen von der Straße.“ Dieser Satz von Bundeskanzler Schröder könnte genauso gut über Landrover und andere schwere, zu schnell und aggressiv gefahrene Autos gesagt werden.
KATHARINA KOUFEN
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