MIT PESTIZIDEN AUF DU UND DU: Europaweit Gift spritzen
■ Bauern wollen gegen deutsches Atrazinverbot klagen
Berlin (taz) — Atrazin, ein Pflanzenschutzmittel, verändert das Erbgut und steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Grund genug also für die Bundesregierung, das Gift nach jahrelangem Hin und Her im Frühjahr 1991 endlich zu verbieten. Gut ist das für die VerbraucherInnen, schlecht aber für die Landwirte. Während die einen durch weniger Atrazin im Grundwasser weniger schleichend vergiftet werden, müssen die anderen siebenmal soviel Geld für ein Ersatz- Spritzmittel ausgeben und zudem noch die Atrazinreste auf dem Hof als Sondermüll teuer entsorgen. Denn auf die Pestizidanwendung ganz zu verzichten, können sich all die Landwirte, die mit Maismonokulturen ihren Lebensunterhalt verdienen, nicht leisten.
Das hat den Deutschen Bauernverband in Bonn, die Verbandsfiliale in Bayern und auch den baden- württembergischen Landwirtschaftsminister auf den Plan gerufen. Der Gegner ist Ciba-Geigy. Der Chemie-Multi, der mit Atrazin weltweit 600 Millionen Mark umsetzt, soll gefälligst die Atrazinreste der Landwirte wie schon die der Zwischenhändler zurücknehmen, verlangt die Landwirtschaftslobby. Bisher jedoch vergeblich. „Wir haben es auch schon im Vorfeld des Verbots versucht, aber nicht geschafft“, stöhnt Hans-Jürgen Bertram vom Deutschen Bauernverband. Statt dessen habe das Unternehmen gefordert, politischen Druck auf die Bundesregierung auszuüben, das Verbot zurückzunehmen. Der Stuttgarter Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser (CDU) biß mit seiner Rücknahmeforderung beim Basler Chemie-Multi genauso auf Granit.
Auch der Bayrische Bauernverband mühte sich vergeblich um die Rücknahme der Atrazinreste auf den Höfen. Zwar sei das Verbot „unter fachlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar“, aber die Rücknahme durch Ciba-Geigy dennoch unverzichtbar, schrieb der Präsident des Bayrischen Bauernverbands, Gustav Sühler, an den Chemie-Multi: „Bitte haben Sie Verständnis für mein Anliegen.“ Hatte der Multi aber nicht. In Ciba-Geigys Antwort heißt es lapidar: „Keineswegs können u.E. von den 1990 von uns verkauften Mengen Überstände beim Verbraucher geblieben sein.“
Nach diesem Mißerfolg haben sich die Bayern zu einem Vorstoß in die andere Richtung entschlossen: Wenn schon Atrazinvergiftung, dann europaweit. Die Bauernvertreter kündigten in München einen Musterprozeß gegen das einseitige Atrazinverbot in der Bundesrepublik an. Diese „Wettbewerbsnachteile“ der deutschen Bauern könnten nicht hingenommen werden, so der Pressesprecher des Verbandes, Wolfgang Riedel. Erst müßten die anderen EG-Länder auch zur Einsicht kommen — solange sollen auch die bayrischen Bauern weiter Atrazin spritzen dürfen. Von bayrischen Schritten gegen Ciba-Geigy ist nichts bekannt. Hermann-Josef Tenhagen
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