standbild : Lustlos bisüberlastet
„Hauptsache, ich bin nicht totgegangen – Zwangsarbeiter bei VW“ (Mi., 23.05 Uhr, N 3)
Eigentlich wollte er nie mehr nach Wolfsburg, und der Volkswagen als Automarke war für alle Zeiten tabu. Über 40 Jahre nach Kriegsende fuhr der Architekt aus Amsterdam dann doch noch einmal zum VW-Werk, in dem er ab 1944 als Zwangsarbeiter Kübelwagen für einen längst verlorenen Krieg zusammenschraubte – im Golf. Woher der Sinneswandel ? „Die Zeiten ändern sich und die Menschen auch.“
Doch die Dokumentation von Andrea Hübner und Ralf Dörwang war kein Versöhnungsstück. Zu krass klaffen die Schicksale der einstigen Zwangsarbeiter nach dem Krieg auseinander: Während der eine ein kleines Hotel im Londoner Nobelstadtteil Kensington führt, schleppt eine andere Schnee in ihre ärmliche Wohnung in der ukrainischen Kohlestadt Anthrazit, weil es schon lange kein fließendes Wasser mehr gibt. Und während die westlich des Eisernen Vorhangs Überlebenden jeweils rund 10.000 Mark als Entschädigung erhalten haben, gab es für Olga P., die als 16-Jährige zur Zwangsarbeit nach Niedersachsen verschleppt wurde, bisher ganze 900 Mark. Wem die Dokumente fehlen, die den „Arbeitseinsatz“ im Reich belegen, wartet oft vergeblich auf einen entsprechenden Bescheid aus Deutschland. Nicht, weil der Nachweis nicht zu führen wäre: Die zuständigen Stellen arbeiten lustlos bis überlastet (siehe taz vom 21. 3.).
Davon erfährt der Zuschauer aber nur wenig, noch weniger von der Unternehmenspolitik bei VW: Da darf zum Schluss des Films zwar noch ein smarter Firmensprecher Anteilnahme zu Protokoll geben und sich um den Begriff Verantwortung herumlavieren. Völlig ausgeblendet bleibt dabei aber die Kontinuität der Konzerntechnokraten, die sofort nach Kriegsende die VW-Legende weiterstrickten. Rücksichtnahme des NDR-Fernsehens aus Standortgründen? Hoffentlich nicht. STEFFEN GRIMBERG
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