Lukas Wallraff über die Grünen und weitere sichere Herkunftsländer: Absurd bis zynisch
Ganz Deutschland spricht über Flüchtlinge, aber kaum jemand über die Rolle der Grünen – obwohl dies doch einst ihr Herzensthema war und sie in neun Bundesländern mitregieren. An dem schwachen Bild der Grünen in der Flüchtlingsdebatte wird sich auch durch die neue Erklärung der Landesgrünen wenig ändern. Denn sie ist ein Formelkompromiss, der nichts festlegt und Widersprüche vertuscht.
Auf den ersten Blick scheint die Botschaft klassisch grün, also menschenfreundlich: Nein zum Plan von Union und SPD, weitere Balkanstaaten wie Albanien als sichere Herkunftsländer auszuweisen, also Menschen von dort pauschal abzulehnen. Diesen Teil des Papiers kann sich der linke Flügel stolz ins Kreisverbandsheim hängen. Doch interessanter ist die weitaus weniger menschenfreundliche Begründung: Es gebe „aktuell keine Erkenntnisse“, so die Grünen, dass die Deklaration zu sicheren Herkunftsländern die Zahl der Asylanträge verringert oder die Verfahrensdauer verkürzt habe. Das sei also nur „Symbolpolitik“, der man nicht zustimmen wolle. „Aktuell“ jedenfalls.
Das heißt: Wenn diese Abschottungsmaßnahme funktionieren würde, wenn sie also Serben richtig abschreckt oder abschiebt, könnten die Grünen auch bei Albanien zustimmen. Das ist absurd bis zynisch. Aber diesen Teil können Realpolitiker wie Winfried Kretschmann jederzeit aus der Schublade ziehen, wenn ihnen „aktuell“ andere Zahlen oder andere Mehrheiten im Bundesrat vorliegen.
Im Grunde haben die Grünen der Regierungslinie ohnehin schon zugestimmt, denn auch sie unterscheiden explizit zwischen Menschen, die vor Krieg fliehen und Schutz bedürfen und solchen, die vor Armut fliehen und „nicht bleiben können“. Zu Deutsch: Syrien ja, Balkan nein. Mit dieser Haltung orientieren sich die Grünen an der Mehrheitsmeinung – und möglichen Schwarz-Grün-Optionen. Dazu sollten sie offen stehen. Der Rest ist: Symbolpolitik.
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