Luka Dončić-Show bei Basketball-EM: Schwergewichtszauber
Sloweniens Ausnahmebasketballer Luka Dončić treibt das deutsche Team zur Verzweiflung. Beim 88:80-Sieg gelingen ihm 36 Punkte und zehn Rebounds.
Vor der Partie liefen auf dem riesigen Videowürfel in der Köln-Arena ein paar Szenen aus der Vergangenheit. Man sah den 18-jährigen Luka Dončić, wie er für Slowenien die Basketball-Europameisterschaft im Jahr 2017 gewann. Die Wangen waren straffer, das Bäuchlein kleiner, er wirkte fast schon austrainiert. Der Luka Dončić des Jahres 2022 wiegt offiziell 104 Kilogramm, er raucht gern mal eine und trinkt ein Glas Rotwein. Sein Körperfettanteil liegt wohl weit über 15 Prozent, aber was heißt das schon, wenn Moppelchen trotzdem Basketball spielt, als gäbe es kein Morgen.
Im Spiel seiner Mannschaft gegen die bis dahin dominierenden Deutschen hat Dončić am Dienstagabend 36 Punkte erzielt, zwölf von 17 Zwei-Punkt-Würfen getroffen und sich zehn Rebounds geschnappt – euphorisch bejubelt von Dutzenden Fans, die ihr blaues Dončić-Trikot mit der Nummer 77 in die wieder einmal ausverkaufte Arena getragen hatten.
Am Ende standen ein 88:80 für den Turnierfavoriten sowie die Erkenntnis, dass dieser Mann von den Dallas Mavericks aus der NBA nicht zu stoppen ist, wenn er es ernst meint. Die halbe deutsche Mannschaft hatte er verschlissen. Erst verteidigte Franz Wagner gegen ihn, dann Niels Giffey, es folgten Johannes Thiemann und Dennis Schröder. Sie bekamen den Mann des Abends nicht in den Griff.
Letzteren narrte er bisweilen so fies, dass der Düpierte kurz die Nerven verlor und ein technisches Foul kassierte. Es war Dončić selbst, der Schröder wieder einfing und beruhigte. Assistiert in der Organisation des slowenischen Spiels wurde Dončić von seinem NBA-Kollegen Goran Dragic, der auf seine alten Tage beeindruckend temporeich spielt. Dončić ist im Gegensatz zu Dragic kein Athlet, gewiss nicht, aber er sammelt trotzdem Körbe wie ein fleißiges Bienchen.
Wundersame Bewegung
Er zieht mit einem retardierenden Moment zum Korb, schraubt sich fast schon gemächlich in die Zone, wurstelt sich mit hochroten Kopf irgendwie durch und zaubert den Ball am Ende seines Ausflugs mit einer wundersamen Bewegung hinein. Raunen, Bonusfreiwurf, MVP-Rufe. Einziges Manko: Sein Step-back-Dreier flutscht noch nicht wie gewohnt. Im Turnier wirft er nur sehr magere 20 Prozent, weswegen er derzeit seinen massigen Körper lieber in Richtung Reuse schiebt. Auch an der Freiwurflinie schlampert er wie gewohnt herum.Trotzdem, das Urteil stand fest, und die Huldigungen kamen nicht nur aus den eigenen Reihen. „Luka Dončić war unfassbar, wirklich unfassbar“, sagte Maodo Lô. „Wie Dončić in der Offensive gespielt hat, das ist schon anders. Er hat so was von dominiert.“ Dass der Spielmacher im Duell am vierten Vorrundenspieltag nur vier Assists verbuchte, konnte Lô kaum glauben: „Gefühlt waren es 20.“ Man könne den Ausnahmespieler nicht ausschalten, sondern lediglich „versuchen, ihn zu limitieren“, sagte der Profi vom deutschen Meister Alba Berlin.
Auf die Frage, was Dončić ausmache, antwortete Lô: „Er hat einen Körper wie Johannes Thiemann, vielleicht sogar noch stärker, und die Spielübersicht, wie man sie sich für einen Point Guard nur vorstellen kann“, sagte der 29-Jährige: „Was soll man machen?“ Thiemann fand: „Er ist zwei Meter groß und spielt als Point Guard. Das ist ein schwieriges Match-up.“ Für Aufbauspieler Andreas Obst war die Erklärung für die erste Turnierniederlage recht einfach – und schicksalhaft: „Luka Dončić ist passiert. Er hat einfach das Spiel übernommen.“
Auf der Pressekonferenz saß dann Dončić mit roten Pausbäckchen, von denen er immer wieder den Schweiß mit einem Handtuch wischte, als sitze er in einer Sauna, dabei lief die Klimaanlage. Er pries sein Team, das sich im Gegensatz zum kürzlich verloren gegangenen WM-Quali-Match gegen die Deutschen die Abpraller gegriffen habe. „Ich bin stolz auf dieses Team“, sagte er und versuchte die Komplimente auf alle Kollegen zu verteilen. Ob er der Spieler werden könne, der bei diesem Turnier die meisten Punkte in einem Spiel erzielen könne, wollte einer wissen. Nee, das sei wohl die Sache von Giannis Antetokounmpo. Der Grieche hat zuletzt 41 Punkte verbucht. Warum? „Weil es Giannis ist“, sagte Dončić und grinste verschmitzt.
Dončić hat gerade einen Fünfjahresvertrag über 215 Millionen Dollar in Dallas unterzeichnet. Er kann sich glücklich schätzen, dass er nicht so ein Vertragswerk wie der ebenfalls zum Moppel-Ich neigende Zion Williamson vorliegen hatte. Der Center der New Orleans Pelicans muss, so wird kolportiert, regelmäßig zum Wiegen. Bei Luka Dončić traut sich das keiner. Es wäre lächerlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid