Luftreinhaltung in norddeutschen Häfen: Landstrom im Kommen
In Kiel soll eine neue Landstromanlage für Fähren nach Norwegen errichtet werden. Die Bundesregierung will damit saubere Energie in norddeutschen Häfen fördern.
Der Druck, dieses längst überfällige Konzept endlich zu präsentieren, ist seit dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Ende Februar enorm gestiegen. Der Theodor-Heuss-Ring, eine die gesamte Stadt durchquerende Bundesstraße, ist eine der dreckigsten und giftigsten Straßen Deutschlands. Der Grenzwert von 40 μg (Mikrogramm) Stickoxid pro Kubikmeter Luft wurde 2016 an der sechs- bis achtspurigen Stadtautobahn mit im Schnitt 65 μg deutlich überschritten. Von einem Fahrverbot wären allein 44.000 in Kiel zugelassene Dieselfahrzeuge betroffen.
Eine gewichtige Rolle spielt aber eben auch der Dieselruß von Kreuzfahrtschiffen. Auf die Luftverschmutzung durch Schiffe weist seit Jahren der Naturschutzbund (Nabu) Hamburg hin. In allen großen norddeutschen Häfen sei die Belastung durch Schiffsdiesel deutlich höher als durch den Autoverkehr. In hafennahen Quartieren Hamburgs seien die Schiffe sogar für 80 Prozent der Stickoxidemissionen verantwortlich.
Deshalb müssten die Menschen in Hamburg, Bremerhaven oder Kiel, so der Nabu, „doppelt unter gesundheitsgefährdenden Belastungen in der Atemluft leiden“. Kiel erarbeitet zurzeit zusammen mit dem Umweltministerium des Landes einen Luftreinhaltplan, um Fahrverbote für Dieselautos zu vermeiden. „Das würde die Hauptverkehrsader der Stadt für viele Fahrzeuge abschneiden und zu einem Verkehrschaos führen“, so Kämper nach dem Urteil aus Leipzig.
Für die Einführung von Landstrom hatte Seehafen-Chef Dirk Claus finanzielle Unterstützung des Bundes gefordert: „Die Förderung der technischen Einrichtungen sowie eine Befreiung von der EEG-Umlage ist notwendig.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits beim Diesel-Gipfel im November vorigen Jahres den Kommunen eine Milliarde Euro für deren Kampf um Luftreinhaltung zugesagt. In einer aktuellen Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage bestätigt die Bundesregierung die Absicht der Großen Koalition, in dieser Legislaturperiode „flächendeckend Landstrom für deutsche Häfen zur Verfügung zu stellen und sich für eine europaweit einheitliche Nutzungspflicht einzusetzen“.
Das Kreuzfahrtranking 2017 des Naturschutzbundes (Nabu) bietet den aktuellsten Überblick über die ökologische Situation in der Branche.
63 Kreuzfahrtschiffe fahren demnach derzeit regelmäßig auf den europäischen Meeren herum.
Die schlechteste Bewertung in Form von vier roten Schiffsschrauben im Ranking 2017 bekamen 52 Schiffe.
Die Bestnoten – eineinhalb grüne und zweieinhalb rote Propeller – erhielten vier Schiffe von Tui und ein Schiff von Hapag-Lloyd.
Je einen grünen Propeller erhielten drei Schiffe von Aida, immerhin noch einen halben bekamen drei Schiffe von Hapag-Lloyd.
Nach Nabu-Angaben entsprechen die Emissionen eines mittelgroßen Kreuzfahrtschiffs im Vergleich mit Euro-4-PKWs: Kohlendioxid (CO2) 83.678 Autos; Stickoxide (NOx) 421.153 Autos; Feinstaub 1.025.885 Autos; Schwefeldioxid (SO2) 376.030.220 Autos.
Denn die ist vor allem bei Container- und den besonders energieintensiven Kreuzfahrtschiffen das Problem. Investitionen in Landstromanschlüsse an Bord von Fähren, die ständig zwischen denselben zwei oder drei Häfen pendeln, rechnen sich wirtschaftlich relativ rasch. Komplexer ist die Situation bei Schiffen, die viele verschiedene Häfen anlaufen.
So wurde die Landstrom-Anlage am Kreuzfahrt-Terminal Altona, die im April 2017 in Betrieb genommen wurde, im vorigen Jahr neunmal von der „Aidasol“ angelaufen, dabei lieferte sie 285 Megawattstunden Ökostrom. Flüssigerdgas (LNG) tankt die „Aidaprima“, die wöchentlich das Terminal Steinwerder anläuft. Diese beiden Schiffe sorgen allein für fast ein Drittel aller Anläufe in Hamburg, die weiteren rund 50 Luxusliner hingegen verbrauchen auch während der Liegezeiten im Hafen weiterhin dreckigen Marinediesel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!