■ Lucky Streik?: Was wollen wir?
Wer streikte denn wofür? Das weiß selbst an der Universität kein Mensch mehr. Die Zukunft der Hochschulen stellt sich doch jeder anders vor – und diejenigen, die sich tatsächlich mit den Zielen dieses Streiks auseinandersetzten und sie dann auch noch gut fanden, sind damals schon in der Unterzahl gewesen.
Das Problem der Hochschulen sind nicht nur verknöcherte Professoren und veraltete akademische Vorstellungen der Alma mater, sondern zu großen Teilen die hanebüchenen Vorstellungen mancher Studenten. Kein Wunder, daß einem zum Thema Unwissenheit spontan viel mehr einfällt als zu den Streikzielen: Was und zu welchem Ende studiere ich überhaupt? Wie sind die Voraussetzungen des Faches? Kann ich, möchte ich sie erfüllen?
Es gibt doch sehr zu denken, daß die Zahl der Studenten an der philosophischen Fakultät der Uni Köln nicht nachgelassen hat – obwohl viele Fächer einen Numerus clausus, eine Zulassungsbeschränkung bekamen. Die lieben Abiturienten haben sich halt einfach für etwas anderes eingeschrieben. Beliebig austauschbare Studienfächer legen aber sehr nahe, daß nicht das Fach, sondern die Stadt oder sonst irgend etwas im Vordergrund steht. Die Zahl derer, die das offen zugeben, ist ja auch keinesfalls gering. Mal sehen, einfach mal ein paar Semester ausprobieren, später wahrscheinlich sowieso wechseln – wer hört das nicht jedes Semester wieder auf dem Campus? Und warum kommen schließlich 50 bis 70 Prozent aller Magisterstudenten nicht im Examen an? Fragt man die Herren und Damen Studenten dann, ob sie eigentlich wissen, was ihr Studienplatz kostet und wer das bezahlt, herrscht ratloses Schweigen. Ganz davon abgesehen, daß diese Sorte „Selbstverwirklicher“ auf Uni- Kosten gehen, blockieren sie auch Lehrmittel für jene, die es ernst meinen und mehr Spaß an der Sache hätten – wenn die ewigen Nörgler denn freiwillig das Feld räumten.
Warum umsonst studieren? Man muß sich diese Frage wirklich ernsthaft stellen. Die Wirtschaft wird jedes Jahr dringlicher aufgefordert, Ausbildungsplätze zu schaffen. Eine Lehrstelle ist ein Zuschußgeschäft, wenn der Azubi nicht hinterher sinnvoll weiter beschäftigt werden kann. Bei einer akademischen Ausbildung ist das meiner Meinung nach noch viel schlimmer. Der promovierte Taxifahrer ist ja nicht nur volkswirtschaftlicher Unsinn, der-/diejenige haben sich mit ihrer Endlos-Ausbildung ohne Sinn und Zweck ja auch zum Teil selbst die Zukunft verbaut. Ist das gemeint, wenn wir das Recht auf Bildung und Selbstverwirklichung einklagen?
Ein Blick ins europäische Ausland – junge Studenten, kurze Uni-Karrieren, sehr viel speziellere Ausbildungen als hierzulande – würde manchem die Augen öffnen. Und Erkundigungen in Australien, wo arbeitende Akademiker Jahre später aus dem Beruf heraus für ihre Ausbildung an den Hochschulen zahlen, könnte den Horizont derjenigen erweitern, die erst mal prinzipiell und überhaupt gegen Studiengebühren sind. Wenn ich, gut ausgebildet, später angemessen bezahlt werde, warum sollte ich dann nicht – als „Dankeschön“ – nachträglich für meine Ausbildung etwas bezahlen? Ich könnte jetzt – ich studiere noch – auch keine Studiengebühren zahlen. Aber ich hoffe doch, in ein paar Jahren genug zu verdienen, um auch anderen den Gang an die Universität zu ermöglichen. Ronja Wildberger
Die Autorin steht nach elf Semestern Germanistik gerade im Examen an der Universität Köln
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