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London, Bremen und Buletten

■ Er war Chefredakteur bei Radio Bremen, schrieb für die „Welt“, leitete „Panorama“ und den „Stern“, verfasste Standardwerke über Cognac und Champagner: Gert von Paczensky wird 75

Buletten. Die isst er am liebsten. Aber, gesteht Gert von Paczensky gleich, „ich sag sowieso immer was anderes.“ Denn die Frage nach seiner Lieblingsspeise hört er oft in den letzten Tagen: Gert von Paczensky wird am Montag 75 Jahre alt. Und er ist weit mehr als der Gastro-Kritiker, als den ihn viele kennen. Er ist Journalist der ersten Stunde und würde den Job immer wieder machen. Journalismus, sagt das Geburtstagskind in spe, „ist eine tolle Sache.“

Auch in Bremen hat der Mann gelebt und gearbeitet. Bei Radio Bremen war er Chefredakteur für den Hörfunk, von 1973 bis 1979. „Interessant“ sei's hier gewesen, sagt er, „eine sehr fruchtbare Zeit“. Last not least gebe es in Bremen „eines der besten Lokale Deutschlands“, das „Grashoff“ nämlich.

Von Paczensky, Spross aus schlesischem Uradel, ist ein biss-chen genervt, dass man in jüngster Zeit seine Biografie häufig auf „Fressthemen“ reduziert. Schließlich war er Auslandskorrespondent der „Welt“ in London und Paris, Chef des außenpolitischen Ressorts der Zeitung, Chef des Fernsehmagazins „Panorama“, stellvertretender Chefredakteur des „Stern“, Chefredakteur bei Radio Bremen und sogar Leiter des Referats „Grundsatzfragen, Inneres und Justiz“ im Bundespresseamt.

Auch als Autor mehrerer Bücher hat sich von Paczensky einen Namen gemacht. 1970 erschien sein Buch „Die Weißen kommen“, in dem er über die Grausamkeiten und das Unrecht im Kolonialismus berichtet. Mit dem Nahostkonflikt setzte er sich unter dem Titel „Unser Volk am Jordan“ (1971) auseinander. Eine kritische Analyse der Entwicklungshilfe bot er 1972 mit seinem Buch „Wieviel Geld für die Dritte Welt“. Mit seiner zweiten Frau Anna Dünnebier schrieb er 1998 eine Biografie „Das bewegte Leben der Alice Schwarzer“. Die höchsten Auflagen erzielte von Paczensky jedoch mit seinen Standardwerken über Cognac und Champagner.

Der Mann mag es nicht, wenn man ihn bei seinen Restaurantbesuchen als Gastro-Kritiker erkennt. „Dann werden sie nur nervös. Die Küche beginnt Fehler zu machen, und der Service geht mir dann oft auf die Nerven“, hat er herausgefunden. „Außerdem muss ich dann manchmal viel länger warten als andere. Denn wenn sie mich erkannt haben, werfen sie nicht selten weg, was sie schon in der Pfanne hatten und fangen nochmal ganz von vorne an“.

Wenn man Gert von Paczensky fragt, warum er Journalist geworden sei, antwortet er schlicht: „Aus Interesse“. Als Schulkind sei er zu einer Zeitungsbesichtigung „geschleppt“ worden, und da hat es ihn wohl gepackt.

1946 begann er als Redakteur beim Südwestdeutschen Nachrichtendienst in Tübingen. Drei Monate später wurde er Lokalreporter in Stuttgart bei einer amerikanischen Agentur, der Vorläuferin von dpa. Dann kamen oben genannte Highlights.

Ein paar „Scoops“ – das ist Journalistenjargon für die kleinen oder großen Sensationen, die auszugraben fast jeder in der Branche sich erträumt – hat von Paczensky auch vorzuweisen. Unter anderem war er der erste, der aus London über die bevorstehenden Verhandlungen über die deutsche Wiederbewaffnung berichten konnte. Oder der merkte, dass Adenauer Verhandlungen zwischen Deutschland und Israel in Gang gebracht hatte.

Zweifel an seinem Beruf hatte er nie. „Zweifel und Gewissenbisse bei dem, über das ich zu berichten hatte, durchaus“, erinnert sich der Noch-74-Jährige. Nicht jedoch an seiner Aufgabe, „anderen deutlich zu machen, worum es geht.“

Über den Nachwuchs urteilt er milde. Journalisten seien heute nicht schlechter als früher. „Ich habe das Gefühl, dass viele nicht sehr nachprüfen, was sie schreiben“, räsonniert Gert von Paczensky, „aber ehrlich gesagt, das gab's schon immer.“ Mehr noch: Vielleicht habe es früher eher weniger seriös recherchierende Journalisten gegeben als heute. Nur eines stört ihn. „Ich habe heute oft das Gefühl, dass Meinung mit Tatsachen verwechselt wird.“

Sei 27 Jahren schreibt von Paczensky Restaurantkritiken. Ein kleiner Bauch verrät, dass er viel öfter als andere gut essen gehen muss. Gerade hat er einen Besuch von 20 Spitzenrestaurants in Berlin hinter sich. „Die Hälfte davon war vorzüglich. Aber zwei waren so mies, dass man sie auf keinen Fall empfehlen kann. Und wenn sie ihrem Ruf nicht entsprechen, dann schreibe ich das auch.“

Mit fast 75 ist Gert von Paczensky gesund, der Arzt hat ihm nichts verboten. Mit dem Rauchen hat er allerdings schon 1967 aufgehört – zuvor rauchte er bis zu 80 Zigaretten am Tag. Täglich liest er mehrere Zeitungen, aber Fernsehprogramme wie „Monitor“ und „Panorama“ schaut er sich fast nie mehr an. In diesem Herbst will er mit seinen Lebenserinnerungen anfangen.

Von Paczensky ist es bisher nicht leid geworden, in Feinschmeckerrestaurants zu essen. Aber ein Gegengewicht sei notwendig, bekennt er. „Am liebsten esse ich ganz einfach“, erklärt er und lobt im gleichen Zug seine Frau Anna Dünnebier. „Sie ist eine Meisterin, wenn es darum geht, ein saftiges Stück Huhn, Kaninchen oder Fisch zu kochen.“ Also doch nicht nur Buletten. An seinem Geburtstag tut Gert von Paczensky „nicht anderes als sonst“. Genaues ist noch nicht geplant, aber für den Fall heimischen Feierns hat er schon eingekauft: „eine nicht unerhebliche Menge an Nahrungsmitteln.“ dpa/sgi

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