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Lokführerstreik am Wochenende70 Prozent der Räder stehen still

Als „Scheinangebot“ bezeichnetete GDL-Chef Weselsky das Angebot der Bahn vom Freitagabend. Jetzt wird bis Montag gestreikt. Kritik kommt von einer anderen Bahngewerkschaft.

Mildes Chaos: Der Hamburger Hauptbahnhof am Samstag. Bild: dpa

BERLIN/DÜSSELDORF dpa | Für Wochenendpendler und Urlauber hat am Samstag ein chaotisches Wochenende begonnen. Wenige Stunden nach dem Start des bundesweiten Streiks der Lokführer fuhren nur etwa 30 Prozent der Fernzüge der Deutschen Bahn. Auch im Regional- und S-Bahn-Verkehr rollten die Züge nur nach einem Notfahrplan. Die Lokführergewerkschaft GDL hatte den Streik im Tarifkonflikt mit der Bahn trotz eines neuen Angebots des Konzerns vom Freitag nicht abgesagt. Die Offerte hatte sie abgeschmettert.

Der Streik, der sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr erst am Montagmorgen um 4.00 Uhr enden soll, trifft Bahnkunden diesmal besonders hart. In sieben Bundesländern beginnen an diesem Wochenende die Herbstferien, in zwei enden sie, darunter Nordrhein-Westfalen. Für gestrandete Reisende stellte die Bahn eigenen Angaben zufolge Hotelzüge in Hamburg, Berlin, Frankfurt und München bereit.

Das Unternehmen hatte der Gewerkschaft am Freitag ein Angebot vorgelegt, das für die Lokführer eine dreistufige Einkommenserhöhung um insgesamt 5 Prozent bei einer Vertragslaufzeit von 30 Monaten vorsieht. Die Bahn bekräftigte, auch über andere Berufsgruppen mit der GDL sprechen zu wollen.

GDL-Chef Claus Weselsky sprach am Freitagabend von einem „Scheinangebot“, mit dem die Solidarität unter den GDL-Mitgliedern ausgehebelt werden solle. Es sei nicht geeignet, in Verhandlungen einzusteigen. Das Bahn-Angebot erfüllt nicht die Kernforderung der GDL, bei Tarifgesprächen für das gesamte Zugpersonal verhandeln zu können.

„Das ist eine Mitgliederwerbeaktion“

Kritik kam von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Es sei zwar in Ordnung, wenn eine Gewerkschaft für Lohnforderungen streike, aber „das, was die GDL im Augenblick hier macht, ist eine Mitgliederwerbeaktion und kein Streik um eine Tarifforderung“, sagte der stellvertretende EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel im WDR-5-Morgenecho. Zugleich verschlechtere sich durch die Streiks die Stimmung zwischen den verschiedenen Gewerkschaftsmitgliedern.

Auch Bahn-Vorstand Ulrich Weber kritisierte den Streikaufruf der Lokführergewerkschaft scharf. „So kurzfristig und in dieser Dimension sind die Streiks völlig verantwortungslos und an der Grenze zur Irrationalität“, sagte der Manager der Bild-Zeitung. Am Freitag hatte die Bahn der GDL vorgeworfen, Amok zu laufen.

Von dem zweitägigen Streik profitieren im Fernverkehr vor allem Busse. Bereits am Freitag hatte die Nachfrage die Kapazitäten von Fernbus-Anbietern weit überschritten. MeinFernbus verzeichnete etwa eine Verdreifachung der Buchungen. Auf Omnibusbahnhöfen in ganz Deutschland herrschte am Samstagmorgen reger Andrang.

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9 Kommentare

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  • Die EVG-Gewerkschaft ist eine Einzelgewerkschaft unter dem Dach des DGB. Die GDL ist aber keine Einzelgewerkschaft unter dem Dach des DGB. Das mißbilligt und ärgert den DGB.

    Der DGB muß aufpassen, daß er sich in Kooperation mit der "GroKo" und mit der geplanten, gesetzgeberischen "Tarifeinheit" (eine völlig neue juristische Formulierung ) nicht selbst eine sehr tiefe Grube gräbt, hineinfällt, am Boden aufprallt, betäubt oder zerschellt liegen bleibt und nicht mehr rausklettern kann. Zum Schaden der deutschen und europäischen Gewerkschaftsbewegung.

     

    Warum schimpfen die Bahnreisenden auf die GDL und wollen deren berechtigte Interessen nicht verstehen? Warum richten sie ihren Unmut oder Zorn nicht gegen die Deutsche Bahn AG?

     

    Der berechtigte Arbeitskampf, das Recht auf Streik und Warnsteiks als letztem Mittel in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, hat Verfassungsrang und gehört zum Wesen der Demokratie! Dazu gehört das im Grundgesetz garantierte Koalitionsrecht, die Bildung von Gewerkschaften, von Vereinen, von Parteien et cetera.

     

    Bitte in Wikipedia die Liste von Gewerkschaften in Deutschland nachlesen. Danke.

    • @Gerda Fürch :

      das Schlimste was den AN passiere konnte war, dass die Gewerkschaften in den Aufsichtsräten der Betrieb sitzen und zumeist mehr die Intressen des AG vertreten, Birski ist ein schönes Beispiel, der geniesst alle Rechte-schickt seine Leute in den Streik und fliegt als LH Vorstand first class, zu selben Zeit, zum Urlabmachen in die Südsee !

      • @Georg Schmidt:

        Ihr Hieb gegen die Gewerkschaften trifft voll daneben!

         

        Bsirke ist Verd.i und Verd.i ist eine DGB-Gewerkschaft, eine mächtige Gewerkschaft, die sich aus mehreren anderen, einzelnen DGB-Gewerkschaften gebildet hat (ehem. DAG, ehem. HBV und so weiter).

         

        Die kleine GDL, die mit dem Zugpersonal sehr wohl größer werden darf, kann und werden wird, ist keine DGB-Gewerkschaft. Da haben DGB und EVP große Fehler gemacht. Die EVP ist nicht größer als die GDL.

         

        Diese ehem. DGB-Dienstleistungs-Gewerkschaften (wie HBV, DAG etc.) können sich auch wieder abtrennen und völlig eigenständige, neue, freie und unabhängige Gewerkschaften bilden - ohne Zugehörigkeit zum DGB. Das ist alles sehr wohl verfassungskonform.

         

        Unternehmen und Konzerne lagern ja auch wesentliche "Sparten" aus, im Inland und ins internationale Ausland. Daraus werden dann neue, selbständige Unternehmen wie GmbHs oder Ltds. oder Companys, dann raffinierterweise, juristischerweise k e i n e Tochterunternehmen!

         

        Die kleine GDL ist keine DGB-Gewerkschaft

    • @Gerda Fürch :

      das ist nur bedingt richtig, weil bei der GLD oder bei Verdi ein Mann bestimmt was passiert, ein Streik ist aber eine Gemeinschaftssache, sag ich mal, es gibt zwar eine urabstimmung, aber die sagt garnix,, die hoch-bis bestbezahlten Manager auf beiden Seiten haben die Pflicht, vernünftige Arbeitsbedingungen auszuhandeln, einen Streik loszubrechen, muss das allerletzte Mittel sein, zu Machtspielchen ist er nicht vorgesehen oder geeignet !

      • @Georg Schmidt:

        Bei der GDL bestimmt n i c h t ein Mann! Der ist kein Diktator.

        Der Claus Weselsky ist Vorsitzender und zugleich Sprecher der GDL und muß sich mit seinen anderen Kolleginnen und Kollegen abstimmen. Das tut er.

         

        Das wissen die Manager und der Ulrich Weber vom Vorstand der Deutschen Bahn AG - nicht Aufsichtsrat! Nicht der Wirtschaftsausschuß der AG! - ganz genau. Die wissen auch ganz genau und freuen sich, daß heutzutage die meisten Menschen wenig Wissen über Gewerkschaften haben, allenfalls kennen sie Betriebsräte.

         

        Ein Streik ist k e i n e Gemeinschaftssache, das geht nur die Beschäftigten in einer großen Aktiengesellschaft wie der Deutschen Bahn AG etwas an, eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Hoch- bis bestbezahlt sind bekanntlich die Manager, die Vorstandsetagen der Deutschen Bahn AG (vergleichbar mit der Deutschen Bank), aber doch nicht die Gewerkschaftsvertreter/Interessenvertreter der GDL. Da gibt es keine "Augenhöhe" zwischen diesen beiden Tarifpartnern.

         

        Was sind denn "vernünftige" Arbeitsbedingungen und Gehaltsbedingungen? Die der Deutschen Bahn AG etwa? Gute, bessere Arbeitsbedingungen und Gehaltsbedingungen für die Lokführer und für das äußerst niedrig bezahlte Zugpersonal müssen in einem Arbeitskampf ausgefochten werden. Als letztes und völlig legitimes Mittel dient dafür der Streik! Weil die Arbeitgeber stur und nicht vernünftig sind, sich hochmütig einbilden, sie hätten die (Geld- und Gesetzes)Macht im Rücken.

         

        Das sind sehr wohl kapitalistisch bedingte, heute "marktkonforme" Machtspiele - gegen Gewerkschaften wie die GDL.

  • "völlig verantwortungslos und an der Grenze zur Irrationalität“ - so der Bahnsprecher in der BILD (wo denn auch anders als im inoffiziellen CDU-Regierungsorgan?). Stuttgart 21 ist noch verantwortungsloser und irrationaler - und die Bahn AG führt das unrentable Projekt fort und ließ es durchknüppeln, ohne Rücksicht auf Verluste.

  • Die GdL hat vollkommen Recht.

    • @Dudel Karl:

      Ein sehr erhellender Kommentar ... Würden Sie bitte ein wenig konkreter werden ... ? Ich war in den letzten Wochen mehrfach direkt vom GdL Streik betroffen und habe keinerlei Verständnis dafür, dass Herr Weselsky seine Allmachtsphantasien auf Kosten der Allgemeinheit auslebt ...

      • @Leser1220:

        Die Bahn müßte ja nur die Vorschläge der GdL akzeptieren, schon wäre alles geritzt.