Lokal agiert – die neuen Folgen: Von der Balance dreier Kreise
■ Lokale Agenda 21: Jetzt kommt die Stadtkampagne / Senatorin Wischer: „Das ist kein ganz einfacher Prozess.“
Der schönen Worte sind viel gesprochen worden, jetzt soll gehandelt werden. Das Umweltressort richtet einen Wettbewerb aus: „Stadtkampagne zur Lokalen Agenda 21“ heißt das gut gemeinte Projekt und soll laut Pressetext „Positivbeispiele für nachhaltiges Wirschaften“ erbringen.
Aha, Nachhaltigkeit, darum geht es also. Was war das noch mal? Eine Antwort gibt es mit Sicherheit auf der Pressekonferenz zum Thema. Fehlanzeige. „Der Begriff der Nachhaltigkeit muss auch zehn Jahre nach Rio von der abstrakten Ebene auf eine praktische und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbare Ebene gebracht werden“, sagt Umweltsenatorin Christine Wischer. Klingt gut. Und wie soll das passieren? „Das ist kein ganz einfacher Prozess“, fährt Wischer fort, „wir brauchen konkrete und brauchbare Projekte.“ Dabei sollen den Fantasien der BürgerInnen keine Grenzen gesetzt werden. Die Senatorin bringt Beispiele: Betriebe könnten über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus untersuchen, wie sie Wasser oder Energie einsparen könnten.
Also, um Unweltschutz geht es. Aber nicht nur. Helga Thurn von der Projektgruppe des Agenda-21-Teams hält eine Skizze hoch, auf der der Begriff Nachhaltigkeit veranschaulicht wird. Drei ineinandergreifende Kreise sind darauf zu sehen. In jedem von ihnen steht jeweils ein Begriff: ökonomische Stabilität, ökologische Verträglichkeit und soziale Gerechtigkeit. Helga Thurn erläutert, dass es um die Balance dieser drei Dinge gehe.
Im Grunde genommen wird sie damit schon sehr viel konkreter als so manch andere Definition. Denn in der Begriffserklärung des deutschen Bildungsservers heißt es, das Konzept Nachhaltigkeit verbinde die Erkenntnis, „dass ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen als eine innere Einheit zu sehen sind“.
Was nun die konkreten Vorstellungen der Wettbewerbsausschreiber im einzelnen mit Nachhaltigkeit zu tun haben, wird nicht ganz klar. Wasser und Energie Sparen macht auf lange Sicht gesehen Sinn. Aber die Maßnahme gegen Lärmschutz, die Thurn vorschlägt? Beim Entladen eines Lastwagens nicht so laut zu sein? Oder die Förderung der Dienstleistungsqualität durch kundenfreundliche Serviceangebote, wie die Bewerbungsunterlagen es vorschlagen? Das dient wohl eher der nachhaltigen Existenz eines einzelnen Betriebes.
Aberum Wirtschaftlichkeit geht es ja auch. Stand beim ersten Wettbewerb dieser Art vor rund zwei Jahren die Umwelt- und Sozialverträglichkeit im Vordergrund, wolle man jetzt den „Fokus auf wirtschaftliche Aktivitäten lenken“, erklärt Wischer. Angesprochen sind also die ortsansässigen Betriebe, aber auch Vereine, Initiativen, Schulen, Kindergärten, Einzelpersonen ... Auch das Themenspektrum ist weit: Umwelt- und Sozialverträglichkeit, Sozialverträglichkeit von Arbeitsplätzen, Kundenorientierung und Ressourcenschutz.
Ideenreichen Menschen, denen trotz fehlender Definitionsklarheit ein Licht aufgegangen ist, sei gesagt, dass Einsendeschluss am 15. November 2002 ist.
Anne Reinert
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