Lohnstandards bei öffentlichen Aufträgen: Mindestlohn mit Ausnahme
Öffentliche Aufträge sollen in Niedersachsen künftig nach sozialen, Lohn- und Umweltkriterien vergeben werden. Beim Lohn soll die Tariftreue zählen.
HANNOVER taz | In Niedersachsen beraten die rot-grünen Regierungsfraktionen ein neues Landesvergabegesetz, mit dem Lohn-, Sozial- und Umweltstandards zur Bedingung für die Vergabe öffentlicher Aufträge werden sollen. Am Dienstag haben die Fraktionen intern Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Handwerkskammern und die kommunalen Spitzenverbände zu ihrem Gesetzentwurf angehört. Im Juni wollen sie ihn in den Landtag einbringen.
Ab 2014 sollen die Vergabekriterien gelten. Öffentliche Aufträge von Land oder Gemeinden sollen dann nur noch an Unternehmen und Betriebe gehen, die ein ganzes Paket an Bedingungen erfüllen: Nach dem Entwurf sollen soziale Kriterien wie die Beschäftigung von Azubis oder Schwerbehinderten und die Förderung der Chancengleichheit gelten. Auch soll der Nachweis erbracht werden, dass verwendete Waren umweltfreundlich und ohne Kinder- oder Zwangsarbeit produziert wurden.
„Über das Vergabegesetz haben wir die Handhabe, bei öffentlichen Aufträgen für gute Arbeit zu sorgen“, sagt die Grünen-Fraktionssprecherin für Wirtschaftspolitik Maaret Westphely. Zudem habe das Land eine „große Marktmacht, wenn wir umweltfreundliche und faire Produkte zur Bedingung machen“.
Auch Arbeits- und Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lobt den Entwurf der Fraktionen: „Das Gesetz stellt gerechtere Löhne und fairen Wettbewerb in den Mittelpunkt“, sagt er der taz. Entscheidend sei, dass es nicht wie bislang unter Schwarz-Gelb nur für Aufträge an das Baugewerbe gelten soll. „Die gesamte Landesvergabe soll darunter fallen“, sagt Lies. Sprich jegliche Bau- oder Dienstleistung, inklusive dem Personennahverkehr, die Land und Kommunen in Auftrag geben. Zudem solle das Vergabegesetz schon ab einem Auftragsvolumen von 10.000 Euro greifen anstatt wie derzeit noch 30.000.
Im rot-grün regierten Bremen gilt seit dem 1. Juli 2012 ein Mindestlohn von 8,50 Euro in staatlichen Firmen und in Unternehmen, die im Auftrag des Landes arbeiten. Dennoch wird immer wieder gegen das Gesetz verstoßen, wie eine aktuelle Evaluation belegt.
Bei 127 von einer "Sonderkommission" geprüften Aufträgen wurden in 20 Fällen deutliche Hinweise auf Verstöße der öffentlichen Auftraggeber gegen das Mindestlohngesetz festgestellt. Das sind immerhin 16 Prozent. In einigen Fällen wurde zudem versucht, Verstöße zu verschleiern.
In Sachen Lohn bleiben die Pläne aus Hannover aber hinter Regelungen der Nachbarländer zurück: Wo immer es Branchentariflöhne gibt, sollen die zur Bedingung werden. Der von SPD und Grünen auf Bundesebene geforderte Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde soll in Niedersachsen nur gelten, wo es keine Tarifverträge gibt. In Mecklenburg-Vorpommern sieht das Landesvergabegesetz grundsätzlich 8,50 Euro Mindestlohn vor. Rot-Grün in Bremen fordert den nicht nur bei öffentlichen Aufträgen, sondern auch bei der Vergabe von Fördergeldern.
Wie häufig in Niedersachsen im Landesauftrag weniger als 8,50 Euro gezahlt werden, prüft Rot-Grün. Ein erstes „identifiziertes Problem“ zeigt sich bereits, wie Arbeitsminister Lies einräumt: Wachleute kriegen ressortübergreifend von der Staatskanzlei bis zum Finanzministerium nur 7,50 pro Stunde – Tariflohn im Sicherheitsgewerbe. Auch der Landtag hat seinen Sicherheitsdienst erst im April ausgewechselt. Der neue Dienstleister war bei der Ausschreibung schlicht wirtschaftlicher, so die Begründung.
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