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Löw-Ausstatter Strehle"Sie tragen es mit Leidenschaft"

Gerd Strehle, Geschäftsführer der Modelinie Strenesse, die den DFB ausstattet, über Bierhoff als Spiritus Rector, eng anliegende Trainerhemden und Fußball als Entertainment.

Weg mit dem Sakko, her mit dem blauen Pulli: Joachim Löw auf dem Fußballfeld. Bild: ap
Interview von Carolin Küter

taz: Herr Strehle, sind Sie Fußball-Fan?

Gerd Strehle: Mit Haut und Haaren.

Seit wann arbeiten Sie mit dem DFB zusammen?

Ach, das war damals 2005, als ich Oliver Bierhoff kennengelernt habe und zeitgleich Michael Ballack. Uns war damals klar, dass dieses neue Management und die neue Spielergeneration etwas Neues ausprobieren wollten und zwar nicht nur auf dem Fußballfeld, sondern auch in ihrer Selbstdarstellung und da hab ich gesagt: Ich kann euch helfen!

Laut Strenesse steht die Mode von Gabriele Strehle für „Sinnlichkeit, Intelligenz, Tiefe“. Da denkt man ja nicht unbedingt zuerst an Fußball. Wie passen Fußball und Strenesse zusammen?

Wissen Sie, die Fußballer von heute sind die besten Dressmen, die es gibt. Sie sind alle durchtrainiert und sind Männer, die den Mut haben, sich selber darzustellen. Das war in früheren Zeiten nicht so, da hat man sich etwas drüber gezogen und hat angenommen, man schaut gut aus. Damit sind die heute nicht mehr zufrieden, die wollen sich, ihren Körper, ihre Sinnlichkeit, vielleicht sogar ihre Sexyness ausstrahlen.

Bild: taz
Im Interview: 

Gerd Strehle, geb. 1941, ist seit fast 40 Jahren Geschäftsführer von Strenesse. Das Familienunternehmen aus Nördlingen ist seit der WM 2006 der offizielle Austatter der Herren-DFB-Elf.

Also kann man von einem Wandel im Fußball sprechen?

Da ist ein großer Wandel. Fußballer sind heute nicht mehr das, was sie früher waren. Als Fußballer schon, aber zusätzlich sind sie heute eigene Marken. Jeder für sich ist eine Marke und die Obermarke ist die Vereinsmannschaft oder die Nationalmannschaft.

Wie eng arbeiten Sie mit dem DFB zusammen?

Wir arbeiten sehr eng mit dem Management zusammen. Vor allem mit Oliver Bierhoff, der in dieser Richtung schon der Spiritus Rector ist und eine klare Vorstellung davon hat, wie die Mode aussehen soll. Natürlich auch mit Jogi Löw, der wie wir ja alle mittlerweile wissen, ein sehr stilbewusster Mensch ist. Und die wichtigsten Spieler waren auch im Gespräch mit uns.

Gibt es da nicht auch Spieler, die mit ihrer Modelinie nichts anfangen können?

Das ist uns zumindest nicht zu Ohren gekommen (lacht). Heute tragen sie es alle mit Leidenschaft, alle.

Welche Verpflichtungen hat der DFB Ihnen gegenüber als „offizieller Ausstatter“? Warum treten Löw und Flick so oft im Partnerlook auf?

Das ist eine freie Entscheidung. Das hat angefangen mit Klinsmann und Jogi und den Hemden, was ja damals ein No Go war. Damals hatten alle gut gekleideten Trainer ein Sakko an, der Rest trug Trainingsanzug. Und plötzlich saßen die beiden mit ihren eng anliegenden Hemden da, waren damit die bestangezogensten Trainer und haben für Furore gesorgt. Und dann trägt der Jogi dieses Jahr den blauen Pullover und sorgt für noch mehr Furore.

Wenn Joachim Löw jetzt als „bestangezogenster Trainer der Welt“ gefeiert wird, ist das ja ein Riesenerfolg für Sie. Wie haben Sie das hinbekommen?

So etwas kann man natürlich nicht planen. Wir haben das Glück, das Jogi Löw ein Typ mit klarem Stilgefühl ist, der wert auf seine Kleidung legt. Wenn der zum Einkleiden in die Shops kommt, dann ist meine Tochter Viktoria (Anm. d. Red.: Viktoria Strehle ist Kreativdirektorin der Linie Strenesse Blue) dabei und dann ist es immer ein großes Hin und Her zwischen den beiden. Diesen Austausch liebt er, das braucht er auch.

Also sucht er sich seine Lieblingsstücke selbst aus?

Die sucht er sich aus und dann fragt er: Was meinstn'?

Auch bei der WM 2006 soll Löw vor den Spielen für sich und Klinsmann die Outfits ausgewählt haben?

In der Richtung ist der Löw der Bestimmendere gewesen, dem Klinsmann war das eher wurscht. Die Richtung hat er schon damals vorgegeben, aber Klinsmann hat mitgespielt, das war optimal. Und das Spiel spielt er jetzt weiter (lacht).

Wie funktioniert der Imagetransfer Ihrer Markenphilosophie über den Fußball?

Fußball ist heute Entertainment. Das ist nicht mehr nur Sport, sondern ein Teil der Unterhaltungsindustrie. Die großen Stadien sind heute die Opernhäuser des letzten Jahrhunderts.

Wenn Sie eine Markenbotschaft geben, müssen Sie darauf achten, mit wem geben Sie's und wie geben Sie's. Da müssen Sie gucken, dass der Träger dieser Botschaft im Level gleich angesiedelt ist wie die Marke. Wenn die Marke zu tief ist, also eine Massenmarke ist, dann passt das nicht zusammen mit Nationalspielern, die ein bestimmtes Wertebewusstsein haben.

Jetzt ist aber Fußball doch ein Massensport und die Normalo-Fußballfans kaufen sich wohl kaum Strenesse-Hemden?

Das ist richtig. Es schauen aber genauso viele Fußball, die sich Strenesse Hemden kaufen können und die sich in der Darstellung der Fußballer bisher nicht so richtig wiedergefunden haben. Wenn sich die Mannschaft dann aber so zeigt, bemerken diese Fans, dass es so etwas wie Strenesse im Fußball für sie gibt.

Und nur diese Fans wollen Sie auch ansprechen?

Ich spreche gerne alle an. Aber uns ist natürlich klar, dass wir nicht alle ansprechen können. Uns geht es darum, dass es langsam reingeht in die Köpfe, dass hier ein Stilwandel vollzogen wird. Dass Fußballer heute fast wie Künstler sind. Die wollen und müssen ja auch weg vom reinen Kicker-Image. Das ist ein bewusster Wandel.

Und Sie als exklusiver Herrenausstatter haben da die Chance gesehen, auf diesen Zug aufzuspringen?

Genau so. Und wir haben das bewusst mit der Nationalmannschaft gemacht, weil wir geahnt haben, dass das was ganz Besonderes wird. Wir wussten, dass das was Bierhoff, Klinsmann und Löw konzeptionell vorhatten auch riesiger Imagegewinn für uns werden kann. Das ist gelungen, manchmal hat man halt Glück.

Merken Sie das denn auch in den Verkaufszahlen?

Die Hemden waren während der EM der Hit schlechthin und jetzt die Pullover. Die ganzen blauen Pullover sind bis auf den letzten ausverkauft. Wolle gibt es noch, aber auch nur noch wenig. Die Leute wollen den Babykaschmir-Pulli von Jogi.

Und den kaufen auch Leute, die vorher nicht unbedingt Strenesse gekauft hätten?

Hundertprozentig, im Online-Shop ist der Teufel los seit dem England-Spiel.

Ein Wahnsinns-Erfolg, haben Sie damit gerechnet?

Das können Sie wirklich nicht berechnen. Gestern hat mich ein Kunde aus der Schweiz mit Mails bombardiert, der hat gesagt: „Jetzt habt ihr mal so einen Hit und dann gibt es den Pulli nicht mehr. Wann lernt ihr endlich mal zu planen?“ Aber wir haben dem Löw zehn Outfits bereitgestellt und der sucht sich halt den einen Pulli aus, der dann zum Siegerpulli wird und die Sache verselbstständigt sich.

Da habe ich dem Kunden zurückgeschrieben: Kannst Du dir vorstellen, dass wir von allen diesen zehn Outfits gleich 10.000 Stück im Voraus produzieren? Und übrigens hat der mir vor drei Wochen noch eine Mail geschrieben, dass wir den deutschen Nationaltrainer doch nicht in so einem Schlabberlook auftreten lassen können. Und jetzt beschwert er sich.

Was sagen Sie denn dazu, dass man sich in den Medien über Jögi Löw als schwule Stilikone lustig macht? Passt das zu Ihrem Image?

Ach, so sind sie halt die Medien. Ich glaube, dass über die Stilaussage von Jogi eine neue Richtung eingeschlagen wurde. Zukünftig wird man mehr Männer damit sehen und das wird normal werden.

Ist das Proletig-Männliche im Fußball vorbei?

Die kommen heute anders daher. Die Nationalspieler sind Vorbilder und der Trainer hat heute eine ganz andere Rolle in der Gesellschaft. Diese Mannschaft zeigt, wie ein Team funktionieren muss und das hat der Löw hingekriegt. Mit seiner behutsamen Führung ist er der beste Manager. Das ist für mich Teamführung und darin ist er genial. Die Spieler sind ein perfektes Team.

Welchen Einfluss hat denn die Mode auf die Sympathie und Zustimmung, die der Nationalmannschaft und ihrem Trainer in der Öffentlichkeit entgegengebracht werden?

Dadurch, dass sie sich so selbstbewusst zeigen und sich nicht verkleiden, sind sie schon Vorbilder für die Gesellschaft und kommen gut an. Unser Motto, das Motto meiner Frau (Anm. d. Red.: Gabriele Strehle ist Chefdesignerin aller Strenesse-Marken), ist: Ich muss mich an das Gesicht erinnern, nicht an die Kleidung. Beim Jogi Löw kann es sein, dass er jetzt den blauen Pulli trägt, aber das ist dann sein momentanes Gefühl. Ich sage immer, wir haben Glücksgene eingewebt in diesen Pulli.

Wie kommt es, dass dies Glücksgene im Halbfinale nicht geholfen haben?

Für dieses Spiel hätten wohl alle elf Spieler auf dem Platz zusätzlich zu den beiden Trainer den blauen Glückspulli tragen müssen.

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