Lobbyisten: "Fangen Sie nicht an zu rauchen"
Er ist oberster Tabaklobbyist und raucht nicht. Und ist "damit glücklich". Warum Titus Wouda Kuipers es trotzdem schafft, Zigaretten unter die Leute zu bringen
taz: Herr Wouda Kuipers, wie verkauft man eine Zigarette?
Titus Wouda Kuipers: Mit einem guten Mix. Preis, Qualität, Image, Verpackung. Beim Tabak fängt es an. Der leicht süßliche Orient-Tabak rundet den aromatischen Virginia ab. Am Ende schmecken wir mit Burley ab, so wie Sie beim Kochen am Schluss Pfeffer und Salz nehmen.
Und äußerlich?
Wichtig ist der Filter. Bei den meisten Marken in Deutschland ist er korkfarben. Aber zu unserer Davidoff passt der elegante weiße. Die Beschaffenheit des Filters spielt natürlich auch in den Geschmack rein: wie dicht er ist und ob er von außen noch zusätzlich Luft reinlässt. Dann die Schachtel: Hat sie ein extravagantes Format? Hat sie einen Deckel oder ist sie weich und wird aufgerissen wie unsere P & S.
Titus Wouda Kuipers (40) verantwortet als General manger von Reemtsma das Geschäft mit Marken wie West. Gleichzeitig ist er Chef des VDC.
Was war entscheidend bei der ersten Schachtel, die Sie sich gekauft haben?
Ich habe noch nie eine gekauft.
Weil Sie schon früh für die Tabakindustrie gearbeitet haben und die Fluppen gratis waren?
Ich habe nie geraucht. Bis heute. Ab und an mal eine Zigarre, aber keine Zigaretten, nie.
Sie sind in Holland aufgewachsen. Was haben die holländischen Zigarettenverkäufer falsch gemacht?
Nichts. Es ist dort wie in Deutschland. 30 Prozent der Leute rauchen und 70 Prozent nicht. Ich gehöre eben zu den 70 Prozent und bin damit glücklich.
Mit Mitte zwanzig sind Sie mit einem Musterkoffer durch die Niederlande gefahren und haben den Läden Zigaretten verkauft. Haben Ihre Kunden sich gewundert, dass Sie gar nicht rauchen?
Das war kein Problem. Ein Pampers-Verkäufer muss auch nicht unbedingt selbst Babys haben. Ob das Produkt zum Verkäufer passt, ist nicht so wichtig. Es muss zum Kunden passen. Besonders bei Zigaretten muss sich der Konsument mit der Marke identifizieren, er muss mit ihrem Image einverstanden sein. Er hat die Zigarettenschachtel ja immer dabei. Im Büro liegt sie neben dem Computer und im Café neben dem Espresso.
Heute sind Sie Deutschlandchef von Reemtsman. Wer raucht Ihre Hauptmarke West?
Wer trinkt Coca-Cola? West ist nach Marlboro die zweiterfolgreichste Marke in Deutschland, sie deckt sehr viele Altersgruppen und Teile der Gesellschaft ab.
Und Davidoff?
Der Davidoff-Konsument ist urban, gebildet und verdient gut. Er kauft Premiummarken und würde nie eine Aldi-Zigarette in die Tasche seines Markenanzugs stecken. Unsere P & S zum Beispiel ist ein Szeneprodukt, kunstaffin, linksliberal.
Was würden Sie mir empfehlen?
Da Sie nicht rauchen, empfehle ich Ihnen auch nicht damit anzufangen.
Ganz schön schwierig, ein Produkt zu verkaufen, das tötet, oder?
Wir verkaufen ein umstrittenes Produkt. Zigaretten tragen gesundheitliche Risiken in sich. Genau deshalb gibt es auch gesetzliche Rahmenbedingungen, an die wir uns halten. Und wenn ich Menschen auf der Straße sehe oder im Restaurant, die mein Produkt genießen, dann bin ich stolz.
Über die Krankheiten, die durchs Rauchen entstehen, wurde in Deutschland noch nie so viel gesprochen wie in den vergangenen Monaten. Sagen Ihre Freunde nicht: Hej, Titus, was treibt Ihr da eigentlich?
Das Thema wird angesprochen, klar. Wenn ich noch in der Automobilbranche arbeiten würde, müsste ich ja auch über den Klimawandel reden. Ich sage dann: Das Produkt ist völlig legal, und ich will da eine sachliche Diskussion haben. Nicht nur eine emotionale. Von 82 Millionen Leuten in Deutschland rauchen 22 Millionen. Die werden jetzt diskriminiert und vor die Tür geschickt.
Jetzt mal ehrlich: Sie nervt die Debatte schon.
Eigentlich gar nicht. Ich finde das eine gute Diskussion. Meine Meinung ist: Wer erwachsen ist, kennt die Risiken und kann selbst entscheiden. Wir sagen aber auch ganz klar: Wir wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche rauchen.
Wenn Sie das ernsthaft wollten, würden Sie sich das eigene Geschäft kaputt machen. Studien zeigen, dass nach dem zwanzigsten Lebensjahr die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass jemand mit dem Rauchen anfängt. Ihnen bliebe nur ein sehr kurzer Zeitkorridor nach dem 18. Geburtstag.
Der 30-Prozent-Anteil von erwachsenen Rauchern in Deutschland ist nahezu stabil. Es wird immer so sein, dass Leute rauchen.
Aber die heutigen Konsumenten kommen aus einer Zeit, wo es viel weniger Verbote gab.
Die Raucherquote ist auf die 30 Prozent zurückgegangen, das ist schon richtig. Aber das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr ältere Menschen in Deutschland leben - und die rauchen im Verhältnis weniger.
Sie denken, dass die Menschen später noch einsteigen?
Ja. Aber wenn jemand einsteigt, dann muss er eine bewusste Entscheidung treffen.
Sind Sie auch stolz, wenn Ihre eigenen Kinder die Schachtel neben die Cola legen?
Sie sind unter zehn Jahren, da ist das noch nicht so eine Frage. Aber ich werde ihnen genau erklären, was die Risiken von Zigaretten sind, schon bevor sie auf den Gedanken kommen, es auszuprobieren. Ich will nicht, dass sie vor dem 18. Geburtstag rauchen. Danach können sie selber entscheiden.
Ein Heidelberger Chefarzt zeigt Jugendlichen bei Aufklärungsvorträgen Röntgenbilder von Lungenkrebspatienten. Was halten Sie von dieser Methode?
Es ist fraglich, ob das funktioniert. In Kanada und anderen Ländern, wo mit abschreckenden Bildern auf Zigarettenschachteln vor Gesundheitsgefahren gewarnt wird, haben Kinder angefangen die Bilder zu sammeln. Ich weiß auch nicht, ob das im Verhältnis zu den Risiken unseres Produktes steht.
Die Bilder sind doch eine klare Information: Rauchst Du, kann Deine Lunge hinterher so aussehen.
So eine Maßnahme dämonisiert das Produkt und die Raucher. Glaubwürdige Information ist sachlich.
Haben Sie schon einmal jemanden getroffen, der Lungenkrebs hat?
Nein. Aber ich denke darüber nach. Man kann da nicht total rücksichtlos sagen: So ist es halt. Man muss das ausbalancieren. Am Schluss komme ich immer zu dem Punkt: Das Produkt ist legal und die Leute wissen über die Risiken Bescheid.
Denken Sie nicht manchmal: Wäre ich nur bei den Autos geblieben? Bei Porsche oder Nissan, wo Sie auch schon gearbeitet haben.
Dort kann man die gleiche Frage stellen. Bei einem der Unternehmen war ich selber in der Nähe, als bei einer Veranstaltung ein Autounfall geschah und Menschen ums Leben kamen. Da habe ich auch lange über das Produkt nachgedacht.
Jetzt sind die Rauchverbote im ICE und im Taxi beschlossen und bald auch die Verbote im Restaurant. Haben Sie Angst?
Um Restaurants und Kneipen mache ich mir Sorgen. Ich habe aber keine Angst, dass der Tabakverkauf einbricht. Es gibt viele Länder, in denen der Konsum nach Verboten erst zurück gegangen ist und sich nach kurzer Zeit wieder stabilisiert hat. Die Raucher finden ihren Weg. Sie feiern zu Hause oder gehen raus. Das ist eine Sache von Wochen oder Monaten. Dann kommt der Tabak zurück.
Warum haben Sie dann gegen die Rauchverbote gekämpft?
Weil ich es bedaure, dass 22 Millionen Menschen vor die Tür geschickt werden. Das finde ich nicht fair.
Der letzte Kampf ums Rauchen hat den Verband der Cigarettenindustrie VDC ziemlich geschwächt, den Sie seit kurzem leiten. Würden Sie da zustimmen?
Nein, ich sehe das nicht. Wir sind in die Öffentlichkeit gegangen, wir haben Journalisten und Politiker angesprochen und dazu sind wir verpflichtet. Wir vertreten nicht nur die Industrie, sondern auch unsere Konsumenten: 22 Millionen Menschen. Man kann das Ergebnis der Debatte nur bedauern. Aber geschwächt sind wir nicht.
Nein? Im März ist Niedersachsens Ministerpräsident Wulff in der "Bild am Sonntag" geprügelt worden wegen ein paar tausend Euro, mit denen der VDC ein Regierungsfest gesponsert hat. Wer nimmt jetzt noch Ihr Geld?
Ganze 2.500 Euro waren das. Das ist das Absurde an der Diskussion um unsere Arbeit. Wenn man nicht die Meinungen des Deutschen Krebsforschungszentrums vertritt, wird man gleich diskreditiert. Dabei betreibt das Krebsforschungszentrum doch auch Lobbyismus.
Jetzt fühlen Sie sich bitte nicht ungerecht behandelt.
Ich werde niemals akzeptieren, dass wir unsere Position nicht vertreten dürfen. In einer Demokratie muss die Politik unabhängig sein. Und wir nehmen uns das Recht zu informieren. Wir zahlen kein Geld an Politiker. Warum sollen wir denn nicht in Parteizeitungen über Anzeigen unsere Position klar machen? Warum sollen wir nicht bei Veranstaltungen anwesend sein und wie jede Firma und jeder Verband mal ein Fest sponsern?
Vielleicht, weil dem VDC das Geld ausgeht. Gerade hat sich der Marktführer Philip Morris aus dem Verband verabschiedet. Wie sehr schwächt Sie das?
Von Schwächung kann man nicht reden. Wir vertreten immer noch die Mehrheit der Zigarettenindustrie und bleiben damit der Ansprechpartner für Politik, Behörden und Öffentlichkeit.
Wie erklären Sie sich, dass die Marlboro-Hersteller ausgestiegen sind?
Ich kann als VDC-Vorsitzender nur sagen, dass ich das bedaure. Wir haben eine Menge zusammen erreicht.
Und als Reemtsma-Chef?
Für mein Unternehmen kann ich sagen, dass dahinter reine Geschäftsinteressen stecken und keine guten gesundheitspolitischen Vorsätze. Philip Morris hätte gerne, dass Zigaretten und Feinschnitttabak gleich besteuert werden, weil sie bei Feinschnitt nicht so erfolgreich sind. Doch wenn der Tabak zum Selberdrehen teurer würde, würden viele Kunden zu Schmuggelware wechseln. Das nimmt Philip Morris einfach in Kauf. Sie hätten auch gerne, dass es noch mehr Werbeverbote gibt, damit ihre Marktführerschaft zementiert wird. Wir wollen aber weiter wachsen und dazu brauchen wir die Werbung.
Noch einmal: Im Etat des VDC fehlen künftig die Beiträge von Philip Morris. Wie überlebt der Verband?
Diese Situation müssen wir uns in Zukunft anschauen. Die wichtigste Herausforderung ist: Die Politiker und Journalisten, die nicht der Meinung sind, dass Raucher vor die Tür gehören, müssen ernst genommen werden, und dürfen nicht als gekauft oder unseriös abgestempelt werden.
Angenommen, das klappt nicht. Wird das Rauchen in Deutschland einmal ganz verboten werden?
Nein. Die Menschen werden den Tabak genießen. Immer.
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