Lobbyisten gegen Obamas Umweltpolitik: Kampf ums Klima

Unternehmen geben Millionen aus, um Lobbyisten gegen die Umweltpolitik des neuen US-Präsidenten Obama zu mobilisieren. Europa wartet auf Gesetze.

"Green economy": Windpark in den USA. Bild: dpa

Treibhausgas-Entwicklung seit 1990: + 14,4 Prozent zugenommen (die Vorgabe nach Kioto-Protokoll waren - 7 Prozent).

Anteil am weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß: 21 Prozent

Anteil am Weltölverbrauch:

25 Prozent

Anteil am Weltgasverbrauch: 24 Prozent installierte Leistung Windenergie Ende 2008: 25,1 Gigawatt (zum Vergleich Deutschland: 23,9 Gigawatt)

Strommix: 49 Prozent Kohlestrom, 20 Prozent Atomstrom, 16 Prozent Strom aus Erdgas,

8 Prozent aus regenerativen Quellen

Energieverbrauch pro Kopf: 327 Gigajoule (Deutschland: 177)

Kohlendioxidausstoß 2008: 1,59 Milliarden Tonnen

(China: 1,8 Milliarden Tonnen)

Sowohl das 787-Milliarden Dollar US-Konjunkturpaket als auch der 3,7-Billionen-Dollar Budgetentwurf liegen auf dem Tisch. Mit beiden, so plant die Regierung von US-Präsident Barack Obama, soll nun ein neues Kapitel in der US-Energiepolitik beginnen. Nachdem die USA der Bush-Ära ganz auf Atomstrom, Kohle und Öl setzten, will Obama nun massiv in erneuerbare Energien und effizientere Energietechnologien investieren. Er nennt das "green economy" und hofft, dass mit ihr nicht nur CO2-Emissionen reduziert werden, sondern auch ein Jobmotor gedeiht, der bis zu drei Millionen Arbeitsplätze schafft. In den kommenden zehn Jahren will die US-Regierung an die 100 Milliarden Dollar in die Energiewende und die Emissionsreduktion investieren.

Der demokratische Senatsführer Harry Reid hatte vor einer Woche versprochen, dass er bis zum Ende des Sommers über ein Klimawandelgesetz abstimmen lassen will, und die Parlamentssprecherin, Demokratin Nancy Pelosi, will ein Klimagesetz bis zum Dezember durch das Repräsentantenhaus bringen. Während sich die Liberalen anschicken, dem Klimawandel die Stirn zu bieten, haben sich in Washington bereits Lobbyisten und Interessengruppen in Stellung gebracht, um genau dies zu verhindern.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie des unabhängigen Center for Public Integrity zeigt, dass 770 Unternehmen rund 2.340 Lobbyisten angeheuert haben, um Druck auf die Abgeordneten und Senatoren bei der klimarelevanten Umwelt- und Energiepolitik auszuüben. Die Zahl der Klimalobbyisten habe sich, so die Studie, damit in den letzten fünf Jahren um 300 Prozent erhöht. Damit kommen auf jeden Abgeordneten heute mehr als vier Lobbyisten - und ziemlich viel Druck. Insgesamt, so der Bericht, wurden in Washington im Jahr 2008 rund 90 Millionen Dollar für Klimalobbying ausgegeben. Während es vor fünf Jahren noch ausschließlich Stromversorger, Ölkonzerne und Kohleunternehmen waren, die in Washington ihre Muskeln spielen ließen, ist mittlerweile jede Branche mit Emissären im Kapitol vertreten.

Allen voran die klimapolitisch eher auf der Bush-Linie verharrende US-Handelskammer sowie der Verband der US-Hersteller. Darunter auch deutsche Firmen wie die Siemens Corporation (mit Lobbyausgaben in 2008 von insgesamt 4,8 Millionen Dollar), Daimler/Mercedes-Benz USA (mit insgesamt 300.000 Dollar), Lufthansa (60.000 Dollar) und Bayer (6,3 Millionen Dollar).

Nicht alle Unternehmen sind gegen schärfere Gesetze. So haben sich zum Beispiel US-Giganten wie General Electric, Johnson & Johnson oder DuPont längst öffentlich für ein Emissionshandelsgesetz ausgesprochen - aus der Erkenntnis heraus, dass es ihnen Wettbewerbsvorteil und Imagegewinn bringen kann. Entschlossene Gegnerin einer klimafreundlichen Politik ist die erst im letzten Sommer gegründete American Coalition for Clean Coal Electricity (ACCCE), ein Zusammenschluss von 48 Kohlekraftwerken und Bergbaubetrieben. Allein 2008 war ihnen ihre selbst in TV-Spots sichtbare Einflussnahme 10,5 Millionen Dollar wert.

Solche dicken Geldbeutel machen nicht nur Liberale und Umweltgruppen nervös. Auch der renommierte Klimawissenschaftler der Nasa, James Hansen, teilte Obama in einem Brief vergangene Woche seine Besorgnis mit, dass "Interessengruppen die Regierungsvorschläge verwässern und so die entscheidenden Maßnahmen für das Leben auf unserem Planeten nicht im nötigen Umfang getroffen werden könnten".

Sorgen macht Beobachtern auch, dass die politische Kongresslandschaft selbst bei den Wahlen im November 2008 wenig Begrünung erhielt. So dürfte allein im Senat eine 60-Stimmen-Mehrheit für ein Emissionshandelsgesetz schwer zu bekommen sein, sind sich Kenner wie Mark MacLeod, Lobbyist der einflussreichen Umweltgruppe Environmental Defense Fund sicher. Moderate Republikaner, allesamt eher klimafreundlich, unterlagen oftmals konservativen Demokraten, die Industriestandorte vertreten. Die US-Bürger selbst räumen angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise der Klimapolitik nicht gerade Vorrang ein. Laut einer Umfrage des Pew Research Center for the People sahen die Befragten noch im Januar Klimapolitik als unwichtigste von 20 Aufgaben auf Obamas To-do-Liste. Die CO2-Emissionen der USA, die knapp ein Viertel des globalen Ausstoßes ausmachen, werden sich im Zuge der Wirtschaftskrise und verminderter Produktion ohnehin verringern, argumentieren Klimamuffel - weshalb der politische Druck schwinden werde.

Doch die Obama-Administration gibt sich ungetrübt optimistisch, mit einem smarten Mix aus Steuern und Handelsoptionen ein Emissionshandelsgesetz auf den Weg bringen zu können. Europäischen Zweifeln, ob sich die USA nun wirklich an die Spitze der internationalen Bemühungen setzen werden, um die CO2-Emissionen zu verringern, hält die Obama-Regierung ihre Willensstärke entgegen. Todd Stern, Obamas Klimarepräsentant, versicherte zuletzt, dass die USA im Dezember in Kopenhagen "in robuster Manier" dabei sein werden, um das Nachfolgeabkommen von Kioto auszuhandeln.

Europäischen Einwänden, dass die USA in Kopenhagen nichts ausrichten können, wenn sie zu Hause noch kein fertiges Klimagesetz haben, entgegnen Klimaexperten und das Obama-Team, dass es schon ein wichtiger Schritt sei, wenn sich die USA zu einer Reduktion der Treibhausgase um bis zu 80 Prozent im Jahr 2050 verpflichten. John Ashton, der Klimaunterhändler des britischen Außenministers, pflichtete der US-Regierung vergangene Woche in Washington bei. "In Kopenhagen geht es nicht darum, Gesetzestexte zu analysieren", sagte Ashton. Es gehe darum, dass Washington ein Signal senden müsse.

Tatsächlich hat allein der Eindruck, dass Washington es nun ernst meint, eine weltweite Klimadiplomatie in Gang gesetzt. So machte die neue US-Außenministerin Hillary Clinton Klimafragen zum Schwerpunkt ihrer ersten China-Visite. Clinton schlug Peking sogar so etwas wie eine Klimapartnerschaft vor. Ein Abgesandter aus China wird demnächst in Washington erwartet. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon organisiert derweil ein Spitzentreffen zu Klima und Energiefragen. Und der Klimasekretär der UN, Yvo de Boer, verantwortlich für den Kopenhagener Gipfel, reiste aus Bonn an, um die Lage am Potomac auszuloten. De Boer erkundigte sich bei Politikern und Denkfabriken, was von außen dazu getan werden müsse, um die USA in die richtige Richtung zu drängen. "Nichts, lassen Sie uns erst mal hier in den USA allein diskutieren", riet ihm Carlos Pascual, Vizedirektor des liberalen Thinktanks Brookings. Denn besserwisserischer Druck von außen, so Pascual, käme im Kongress nicht gut an. Zumal nicht aus Europa, wo, so werden Republikaner nicht müde zu behaupten, der blanke Sozialismus herrscht.

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